Dramatische Poesie.
Balder. Du weißt geschickt ein Märchen auszuspinnen.
160 So laß nun deines hören, wenn's beliebt!
Richard. In vor'gen Tagen wußt' ich manche Mär'
Von unsern alten Herzogeñ und Helden
Und sonderlich vom Richard Ohnefurcht,
Der nachts so hell als wie am Tage sah,
165 Der durch den öden Wald allnächtlich ritt
Und mit Gespenstern manchen Strauß bestand;
Doch jetzt ist mein Gedächtnis altersschwach,
Verworren schwankt mir alles vor dem Sinn.
Drum soll das junge Mädchen mich vertreten,
170 Das dort so still und abgewendet sitzt
Und Netze strickt beim trüben Lampenschein.
Sie hat sich manches gute Lied gemerkt
Und hat 'ne Kehle wie die Nachtigall.
Thorilde, darfst den edlen Gast nicht scheun.
175 Sing uns das Lied vom Mägdlein und vom Ring,
Das einst der alte Sänger dir gereimt!
Ein feines Lied! Ich weiß, du singst es gern.
Thorilde singt.
1. Wohl sitzt am Meeresstrande 4. Da hebt sich aus dem Grunde
Ein zartes Jungfräulein, Ein Ritter, jung und fein,
Sie angelt manche Stunde, Er prangt in goldnen Schuppen
Kein Fischlein beißt ihr ein. Und spielt im Sonnenschein.
2. Sie hat 'nen Ring am Finger 5. Das Mägdlein spricht erschrocken:
Mit rotem Edelstein, „Nein, edler Ritter, nein!
Den bind't sie an die Angel, Laß du mein Ringlein golden!
Wirft ihn ins Meer hinem. Gar nicht begehrt' ich dein.“ —
3. Da hebt sich aus der Tiefe 6. „Man angelt nicht nach Fischen
ne Hand wie Elfenbein, Mit Gold und Edelstein,
Die läßt am Finger blinken Das Ringlein lass' ich nimmer,
Das goldne Ringelein. Mein eigen mußt du sein.“
Balder. Was hör' ich? Seltsam ahnungsvoller Sang!
Was seh' ich? Welch ein himmlisch Angesicht
180 Hebt süß errötend sich aus goldnen Locken
Und mahnt mich an die ferne Kinderzeit!
an der Rechten blinkt der goldne Ring,
er rote Stein; du bist's, verlorne Braut
Ich bin's, den sie Meerbräutigam genannt,
185 Hier ist der Saphir, wie dein Auge blau,
Und drunten liegt das Hochzeitschiff bereit.
Richard. Das hab' ich längst gedacht, verehrter Held!
Ja, nimm sie hin, mein teures Pflegekind,
Vut sie nur fest in deinem starken Arm!
Du drückst ein treues Herz an deine Brust.
Doch sieh einmal! Du hast dich ganz verwirrt
Im Netze, das mein fleißig Kind gestrickt.
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