Object: Geschichte des deutschen Volkes

370 Beginn des Freiheitskrieges. Groß-Görschen und Bautzen. § 649—651. 
sogleich den Krieg über die Elbe zu tragen. Von der begeisterten, zornglühen- 
den Bevölkerung unterstützt, hätten sie Jerome verjagen, die Rheinbundsfürsten 
einschüchtern und den Krieg am Rheine beginnen können. Aber theils war 
Preußen noch zu ungerüstet, und Rußlands tatsächliche Schwäche begann sich 
zu offenbaren; theils trug die Schuld auch ein gewisses Zaudern im Charakter 
der Herrscher, die die ganze Wucht der großen Zeit nicht ermaßen. Kurz, diese 
doch einmal aufgeregten Gegenden wurden dem Feinde wieder preisgegeben, und 
die Schergen der Napoleonischen Gewalt, der Marschall Davoust und der 
fürchterliche Vandamme, waren bereits im Anzüge, um mit den gewohnten 
Schreckensmaßregeln den Abfall zu züchtigen und ihr wüstes Regiment noch 
einmal wieder aufzurichten. Auch die Rheinbundsfürsten, durch die alte Mit- 
schuld an Napoleon gefesselt, eilten verräterisch wieder unter seine Fahnen. So 
begann dann der Krieg in der Mitte Deutschlands statt an der Grenze, und 
auch in dieser erhebendsten Zeit blieb dem deutschen Vaterlande das Jammerlos 
nicht erspart, Deutsche gegen Deutsche kämpfen zu sehen. — Besonders traurig 
gestalteten sich die Verhältnisse im Königreiche Sachsen, wo König und Volk 
bisher willig sich dem Eroberer hingegeben hatten. Die Aufrufe der Verbünde- 
ten, die Gähruug der großen Zeit, ergriffen auch hier die Gemuther. Selbst im 
Heere hoffte General Thiele mann, Jork nachahmend, Durch einen eigenmäch¬ 
tigen Schritt 'den Uebergang zu den Verbündeten durchzusetzen und den König 
mit fortreißen zu können. Aber alle Versuche, Sachsen und dessen König für 
die gemeinsame Sache zu gewinnen, scheiterten. Letzterer, Friedrich August, 
(§ 513) in seinem Privatcharakter edel und von seinem Volke geliebt, doch 
großen Zeiten und Entschlüssen nicht gewachsen, entfloh aus seiner Hauptstadt 
nach dem Voigtlande, dann gar nach Regensburg und Prag, und suchte Baiern 
und Oestreich im Bunde mit Sachsen zu einer Neutralität zu gewinnen. Freund- 
schaftlichen Einladungen der verbündeten Monarchen wich er aus. Napoleon 
hingegen stellte ihm später sofort die Wahl, innerhalb 6 Stunden sich für ihn 
zu entscheiden, oder er habe aufgehört zu regieren. Willig kehrte er nun zur 
Sache „fernes großen Alliirten" zurück. 
§ 650. Unterdessen waren die Verbündeten feierlich in Dresden eingezogen, 
(24. April), wo Davoust noch, zurückweichend, die schöne Elbbrücke gesprengt 
hatte. Aber nicht einmal der Festungen Wittenberg und Torgau gelang es 
Herr zu werden. Das Zögern lag besonders mit am Oberbefehl, den der Alt- 
rnsse Kntusow führte, welcher für Rußland genug geschehen glaubte, wenn Polen 
besetzt und erobert werde, und nur widerwillig in Deutschland vorging. Zum 
Glück für die deutsche Sache starb er (29. April); dennoch gingen die Fort- 
schritte der Verbündeten nur langsam. Die preußischen Truppen und Generale 
glühten vor Ungeduld. Jork war, wie oben (§ 645) gezeigt, von Berlin gegen 
die Elbe hin aufgebrochen. Aber auch er stand unter einem russischen General, 
unter Wittgenstein. Gleichwohl entschied seine kühle Besonnenheit und der 
stürmische Ungestüm seiner 12,000 Preußen das erste siegreiche Gefecht dieses 
Krieges. Bei Möckern, in der Nähe von Burg, stieß man auf die Truppen 
des Vicekönigs, bie "Bro Magdeburg aus auf das rechte Elbufer gefetzt waren. 
Vor bem Anprall ber preußischen Reiter, vor dem Grimm des pommerschen 
und märkischen Infanteristen zerstoben hier die französischen Bataillone; der neue 
Schlachteneifer gab sich hier zum ersten Male kund. Wittgenstein ging nun 
freilich über die Elbe, kleine preußische Reitercorps schweiften bis Thüringen, 
doch war immer noch zu wenig geschehen, um Napoleon gehörig begegnen zu 
können. 
§ 651, Napoleon hatte mit gewohnter Schnelligkeit und Kraft ein neues
	        
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