Brüder Grimm: König Drosselbari.
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tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen und wußte vor Angst
nicht, was sie anfangen sollte. „Ach, wie wird mir's ergehen!" rief sie,
„was wird mein Mann dazu sagen?" Sie lief heim und erzählte ihm
das Unglück. „Wer setzt sich auch an die Ecke des Marktes mit irdenem
Geschirr!" sprach der Mann, „laß nur das Weinen, ich sehe wohl, du
bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen. Da bin ich in unsers
Königs Schloß gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd
brauchen könnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu
nehmen; dafür bekommst du freies Essen."
Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, mußte dem Koch zur
Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich in beiden
Seitentaschen ein Töpfchen fest, darin trug sie nach Haus, was ihr von
dem Übriggebliebenen zu teil ward, und davon nährten sie sich. Einst¬
mals sollte die Hochzeit des ältesten Königssohnes gefeiert werden; da ging
die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthür und wollte zusehen.
Als nun die Lichter angezündet waren und immer einer schöner als der
andere hereintrat und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte
sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz
und Übermut, der sie erniedrigt und in so große Armut gestürzt hatte.
Von den köstlichen Speisen, die da ein- und ausgetragen wurden, warfen
ihr die Diener manchmal ein paar Brocken zu, die that sie in ihr Töpf¬
chen und wollte sie heimtragen. Auf einmal trat der Königssohn heran,
war in Sammet und Seide gekleidet und hatte goldene Ketten um den
Hals, und als er die schöne Frau in der Thür stehen sah, ergriff er sie
schnell bei der Hand und wollte mit ihr tanzen; aber sie weigerte sich
und erschrak, denn sie sah, daß es der König Drosselbart war, der um sie
gefreit, und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Ihr Sträuben half
nichts, er zog sie in den Saal; da zerriß das Band, an welchem die
Taschen hingen, und die Töpfe fielen heraus, daß die Suppe floß und
die Brocken umhersprangen. Und wie das die Leute sahen, entstand ein
allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, daß sie sich
lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte. Sie sprang zur
Thür hinaus und wollte entfliehen; aber auf der Treppe holte sie ein
Mann ein und brachte sie zurück, und wie sie ihn ansah, war es wieder
der König Drosselbart. Er sprach ihr freundlich zu: „Fürchte dich nicht,
ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt
hat, sind eins. Dir zu Liebe habe ich mich so verstellt, und der Husar,
der dir die Töpfe entzwei geritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles
ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für den Hoch¬
mut zu strafen, womit du mich verspottet hast." Da weinte sie bitterlich
und sagte: „Ich habe großes Unrecht gethan und bin nicht wert deine
Frau zu sein." Er aber sprach: „Tröste dich, die bösen Tagen sind vor¬
über; jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern." Da kamen die Kammer¬