50
A. Erzählende Prosa. III. Erzählungen.
Offizier wurde bei einem Edelmanne einquartiert und bekam eine Stube
zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hingen. Der
Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche Tage
bei diesem Manne gewesen und freundlich behandelt worden war, ver¬
langte er einmal von seinem Hauswirt, daß er ihm eines von diesen Ge¬
mälden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirt sagte, daß er das
mit Vergnügen thun wollte, und stellte seinem Gaste frei, dasjenige selber
zu wählen, welches ihm die größte Freude machen könnte.
Nun, wenn man die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand
auszusuchen, so erfordert Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade
das Vornehmste und Kostbarste wegnehme. Daran schien dieser Mann
auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden fast das schlechteste.
Aber das war unserem schlesischen Edelmanne gar nicht lieb, und er hätte
ihm gern das kostbarste dafür gelassen.
„Mein Herr Oberst!" so sprach er mit sichtbarer Unruhe, „warum
wollen Sie gerade das geringste wählen, das mir noch dazu wegen einer
andern Ursache wert ist? Nehmen Sie doch lieber dieses hier oder
jenes dort!"
Der Offizier gab aber darauf kein Gehör, schien auch nicht zu merken,
daß sein Hauswirt immer mehr und mehr in Angst geriet, sondern nahm
geradezu das gewählte Gemälde herunter. Jetzt erschien an der Mauer,
wo dasselbe gehangen hatte, ein großer, feuchter Fleck. „Was soll das sein?"
sprach der Offizier wie erzürnt zu seinem todblassen Wirt, that einen Stoß,
und auf einmal fielen ein paar frisch gemauerte und übertünchte Back¬
steine zusammen, hinter welchen alles Geld und Gold und Silber des
Edelmannes eingemauert war. Der gute Mann hielt nun freilich sein
Eigentum für verloren, wenigstens erwartete er, daß der feindliche Kriegs¬
mann eine namhafte Teilung vornehmen werde, ergab sich geduldig darein
und verlangte nur von ihm zu erfahren, woher er habe wissen können,
daß hinter diesem Gemälde sein Geld in der Mauer verborgen war.
Der Offizier erwiderte: „Ich werde den Entdecker sogleich holen lassen,
dem ich ohnehin eine Belohnung schuldig bin," und in kurzer Zeit brachte
sein Bedienter — sollte man's glauben — den Maurermeister selber, den
nämlichen, der die Vertiefung in der Mauer zugemauert und die Bezah¬
lung dafür erhalten hatte.
Das ist nun einer von den größten Spitzbubenstreichen, die der Teufel
auf ein Sündenregister setzen kann. Denn ein Handwerksmann ist seinen
Kunden die größte Treue und in Geheimnissen, wenn es nichts Unrechtes
ist, so viel Verschwiegenheit schuldig, als wenn er einen Eid darauf ge¬
leistet hätte.
Aber was thut man nicht um des Geldes willen! Doch die Strafe
kommt oft unerwartet. Das erfuhr unser Meister Spitzbub. Denn der
brave Offizier ließ ihn jetzt hinaus vor die Stube führen und ihn: von