Full text: [Abt. 2 = Quinta, [Schülerband]] (Abt. 2 = Quinta, [Schülerband])

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A. Erzählende Prosa. IV. Sagen, b) Griechische Sagen. 
mals entrissen, als wir sie dem Tode preisgaben, als du zusähest, wie 
sie gefesselt wurde, und weder als Oheim noch als Geliebter ihr deinen 
Beistand liehest. Warum hast du nicht selbst dir den Preis von dem 
Felsen geholt, an den er geschmiedet war? So laß wenigstens den, 
der ihn sich errungen, der mein Alter durch die Rettung meiner Tochter 
getröstet hat, in Ruhe!" 
Phineus antwortete ihm nichts, er betrachtete nur abwechselnd mit 
grimmigen Blicken bald seinen Bruder, bald seinen Nebenbuhler, als 
besänne er sich, auf wen er zuerst zielen sollte. Endlich nach kurzem 
Verzüge schwang er mit aller Kraft, die der Zorn ihm gab, den Speer 
gegen Perseus; aber er that einen Fehlwurf, und die Waffe blieb im 
Polster hangen. Jetzt fuhr Perseus vom Lager empor und schleuderte 
seinen Spieß nach der Thüre, durch welche Phineus eingedrungen war, 
und er würde die Brust seines Feindes durchbohrt haben, wenn dieser 
sich nicht mit einem Sprunge hinter den Hausaltar geflüchtet hätte. 
Das Geschoß hatte die Stirne eines seiner Begleiter getroffen, und jetzt 
kam das Gefolge des Eingedrungenen mit den längst von der Tafel 
aufgestörten Gästen ins Handgemenge. Lang und mörderisch war der 
Kampf; aber der Eingebrochenen war die Mehrzahl. Zuletzt wurde 
Perseus, an dessen Seite sich umsonst die Schwiegereltern und die Braut 
schutzflehend stellten, von Phineus und seinen Tausenden umringt. Die 
Pfeile flogen an ihnen von allen Seiten vorbei wie Hagelkörner im 
Sturme. Perseus hatte die Schultern an einen Pfeiler gelehnt und 
sich so den Rücken gedeckt. Von da zur Heerschar der Feinde gewendet, 
hielt er den Anlauf derselben ab und streckte einen um den andern 
nieder. Erst als er sah, daß die Tapferkeit der Menge erliegen müsse, 
entschloß er sich das letzte, aber untrügliche Mittel, das ihm zu Gebote 
stand, zu gebrauchen. „Weil ihr mich genötiget," sprach er, „will ich 
mir die Hilfe bei meinem alten Freunde holen! Wende sein Antlitz 
ab, wer noch mein Freund ist!" Mit diesen Worten zog er aus der 
Tasche, die ihm immer an der Seite hing, das Gorgonenhaupt, und 
streckte es dem ersten Gegner zu, der jetzt eben auf ihn eindrang. 
„Suche andere," rief dieser verächtlich beim ersten flüchtigen Blicke, „die 
du mit deinen Wundern erschüttern kannst". Aber als seine Hand sich 
heben wollte, den Wurfspieß abzusenden, blieb er mitten in dieser Ge¬ 
berde versteinert wie eine Bildsäule. Und so widerfuhr es einem nach 
dem andern. Zuletzt waren nur noch zweihundert übrig. Da hub 
Perseus das Gorgonenhaupt hoch in die Luft empor, daß alle es er¬ 
blicken konnten, und verwandelte die zweihundert auf einmal in starres 
Gestein. Jetzt erst bereuete Phineus den unrechtmäßigen Krieg. Rechts 
und links erblickte er nichts als Steinbilder in der mannigfaltigsten 
Stellung. Er ruft seine Freunde mit Namen, er berührt ungläubig 
die Körper der zunächst stehenden: alles ist Marmor. Entsetzen faßt 
ihn, und sein Trotz verwandelt sich in demütiges Flehen. „Laß mir 
nur das Leben, dein sei das Reich und die Braut!" rief er und kehrte 
sein verzagendes Angesicht seitwärts. Aber Perseus, über den Tod 
seiner neuen Freunde erbittert, kannte kein Erbarmen. „Verräter," schrie
	        
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