Full text: [Band 1 = Sexta, [Schülerband]] (Band 1 = Sexta, [Schülerband])

52. Die Bärenhaut. 
W. Curtirían, Geschichten für Kinder. 
wei Jägerburschen hatten von einem Bären gehört, der 
sich in dem Walde aufhalten sollte. Und weil man 
lange keinen so großen und starken Bären gesehen hatte, 
so freuten sie sich über den schönen Pelz, den sie dem Bären 
abziehen wollten. ,,Wenn ich ihn schieße," sagte der eine, ,,so 
laß ich mir einen Mantel davon machen." „Nein," sagte der 
andere, „ich schieße den Bären und verkaufe den Pelz. Der 
Kürschner bezahlt mir zehn Taler dafür, die sollen mir schön in 
dem Beutel klingen." 
Unterdes war es Zeit geworden, in den Wald zu gehen. Als 
sie aber so allein darin waren und von ferne den Tritt des Bären 
hörten, da ward ihnen doch ein wenig bange. Als er nun gar 
näher kam und ein schreckliches Brummen hören ließ, da warf 
der, welcher den Pelz des Bären verkaufen wollte, seine Flinte 
weg und kletterte so schnell wie möglich auf einen Baum. Der 
andre aber, welcher sich nun doch auch nicht zu bleiben getraute, 
konnte sich nicht mehr flüchten. Zum Glück fiel ihm ein, daß 
die Bären keine toten Menschen anrühren. Er warf sich also auf 
den Boden, hielt den Atem an und streckte sich hin, als wenn er 
tot wäre. Der Bär kam grimmig auf ihn zu; als er aber sah, 
daß er kein Glied rührte, beroch er ihn nur ein wenig und lief 
weiter, ohne ihm ein Leid zu tun. 
Als nun der Bär weit genug fort war, erholten sich die beiden 
von ihrem Schrecken; der eine stieg von dem Baume herunter, 
der andre stand vom Boden auf. Da fragte der, welcher von oben 
zugesehen hatte: „Hör’ einmal, was hat dir denn der Bär ins Ohr 
gesagt?" „Ja," sagte der andre, „alles habe ich nicht verstanden, 
aber eins hat er mir deutlich ins rechte Ohr gesagt, nämlich: 
Man darf die Haut des Bären nicht verkaufen, bevor man den 
Bären hat. Und in das linke Ohr hat er mir gesagt: Wer seinen 
Freund in der Not im Stiche läßt, der ist ein schlechter Kerl." 
as fremde Kind. 
J. P. Hebel. 
den Schnee und durch die Tannen des Schwarz- 
waldes kommt abends am 5. Dezember 1807 ein acht- 
jähriges Mägdlein, halb barfuß, halb nackt, vor das 
Häuslein eines armen Tagelöhners im Gebirge und gesellt sich
	        
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