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In Felsen noch Gehegen.
Zur Mittagsstund' am vierten Tag
Der Herzog Milon schlafen lag
In einer Eiche Schatten.
7. Roland sah in der Ferne bald
Ein Blitzen und ein Leuchten,
Davon die Strahlen in dem Wald
Die Hirsch' und Reh' aufscheuchten.
Er sah, es kam von einem Schild;
Den trug ein Riese groß und wild,
Vom Berge niedersteigend.
8. Roland gedacht' im Herzen sein:
Was ist das für ein Schrecken?
Soll ich den lieben Vater mein
Im besten Schlaf erwecken?
Es wachet ja sein gutes Pferd,
Es wacht sein Speer, sein Schild und
Schwert,
Es wacht Roland, der junge.
9. Roland das Schwert zur Seite
band,
Herrn Milons starkes Waffen,
Die Lanze nahm er in die Hand
Und thät den Schild aufraffen;
Herrn Milons Roß bestieg er dann
Ünd ritt erst sachte durch den Tann,
Den Vater nicht zu wecken.
10. Und als er kam zur Felsenwand,
Da sprach der Ries' mit Lachen:
„Was will doch dieser kleine Fant
Auf solchem Rosse machen?
Sein Schwert ist zwier so lang als er,
Vom Rosse zieht ihn schier der Speer,
Der Schild will ihn erdrücken.“
11. Jung Roland rief: „Wohlauf
zum Streit!
Dich reuet noch dein Necken.
Hab' ich die Tartsche lang und breit,
Kann sie mich besser decken;
Ein kleiner Mann, ein großes Pferd,
Ein kurzer Arm, ein langes Schwert,
Muß eins dem andern helfen.“
12. Der Riese mit der Stange schlug,
Auslangend in die Weite;
Jung Roland schwenkte schnell genug
Sein Roß noch auf die Seite.
Die Lanz' er auf den Riesen schwang,
Doch von dem Wunderschilde sprang
Auf Roland sie zurücke.
13. Jung Roland nahm in großer
Hast
Das Schwert in beide Hände;
Der Riese nach dem seinen faßt',
Er war zu unbehende;
Mit flinkem Hiebe schlug Roland
Ihm unterm Schild die linke Hand,
Daß Hand und Schild entrollten.
14. Dem Riesen schwand der Mut
dahin,
Wie ihm der Schild entrissen;
Das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
Mußt' er mit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
Doch Roland in das Knie ihn stach,
Daß er zu Boden stürzte.
15. Roland ihn bei den Haaren griff,
Hieb ihm das Haupt herunter,
Ein großer Strom von Blute lief
Ins tiefe Thal hinunter;
üͤnd aus des Toten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
Und freute sich am Glanze.
16. Dann barg er's unterm Kleide
gut
Und ging zu einem Quelle;
Da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurücke ritt der jung Roland
Dahin, wo er den Vater fand
Noch schlafend bei der Eiche.
17. Er legt' sich an des
Seit',
Vom Schlafe selbst bezwungen,
Bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
Wach auf, wach auf, mein Sohn
Roland!
Nimm Schild und Lanze schnell zur
Hand,
Daß wir den Riesen suchen!“
18. Sie stiegen auf und eilten sehr,
Zu schweifen in der Wilde;