270
361. Vom Kaiser Friedrich.
L. Der Kronprinz als Dorfschullehrer.
Kaiser Friedrich liebte es als Kronprinz, ganz plötzlich in der
Schule seines Gutes Bornstedt zu erscheinen in welcher die Kinder
des Dorfes unterrichtet wurden. Eines Tages nun kam der hohe
Herr wiederum ganz unerwartet und traf den Lehrer in großer Be—
stürzung und Verlegenheit, die derselbe vergebens vor dem Kron—
prinzen zu verbergen suchte. Er hatte nämlich wenige Minuten vor⸗
her die Nachricht erhalten, seine Mutter, eine Predigerwitwe in
Schlesien, liege im Sterben, er möge eilends nach Hause kommen;
doch konnte er die Schulstunden ohne Erlaubnis seiner Vorgesehten
natürlich nicht aussetzen. Als aber der Kronprinz darauf bestand,
zu erfahren, welcher Kummer den Lehrer drücke, und dieser lefbe—
wegt den voraussichtlichen großen Schmerz mitteilte, sagte der hohe
Herr in freundlichen, leilnahmsvollem Tone. „Fahren Sie sofort nach
Hause, ich übernehme die Verantwortung und — die Schulstunden
eilen Sie, und gebe Gott, daß Sie Ihre Mutter noch lebend antreffen;
ich weiß, was einem Sohne die Miler ist.“ Und kaum hatte der
Lehrer das Schulzimmer verlassen, als auch schon der Kronprinz den
Säbel abschnallte und an Stelle des Lehrers den begonnenen Leseunter
richt fortsetzte. Nach der Lesestunde hieß es: „Jeßt wollen wir Geo—
graphie treiben, holt mal den Globus her!“ Die Kinder, an das
leutselige Wesen ihrer Gutsherrschaft gewöhnt, waren keineswegs ver—
schüchtert durch ihren neuen Lehrer, und in Chor erhielt der Kron—
prinz die Antwort: „Einen Globus haben wir nicht; der Lehrer
nimmt immer den großen Gummiball da.“ Und richtig, der „neue
Herr Lehrer“ nahm denn auch den großen Ball und führte so die
kleine Schar in die schwierigen Geheimnisse der Erdkunde ein. M
aber der beurlaubte Lehrer nach einigen Tagen zurückkehrte strahlte
ihm beim Eintritin die Klasse ein funkelnagelneuer Globus entgegen,
ein Geschenk dessen, der ihn vertreten hatte, während er zum Sierbe—
bette seiner Mutter eilte. Wolter.
I. Der Kronprinz als Vater.
Der Kaiser Friedrich war ein großer Kriegsheld, das hat er als
Kronprinz auf den Schlachtfeldern in Böhmen und Frankreich bewiesen.
Aber er war auch ein zärtlicher Valern Ga manchmal hat er in
Friedenszeiten mit seiner Gattin an de Wiege seiner Kinder gesessen
und ihnen Schlummerlieder gesungen. Auch hielt er sie in frenger
Zucht. Eines Morgens, als Friedrich noch Kronprinz war, wollte
sich ein kleiner Prinz von der Kammerfrau nicht waschen lassen. Er