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den November mit den ärgsten und dicksten Nebeln daselbst „Hängemonat"
genannt! — In den Polargegenden hat das Licht eine andere, viel tiefere
Bedeutung, als in den übrigen Erdstrichen; es übt einen wunderbaren
Zauber auf den Menschen aus. Man muß hier gelebt haben — schreibt
Arndt in der Germania — man muß in den mit mancherlei Luftscheinen
spielenden Winternüchten, in den nimmer Amz dunkelnden Sommer¬
nächten durch Schwedens Wälder und zwischen seinen Seen und Felsen
hingefahren sein, man muß die eigentümlichen Bilder zwischen Lichtern
und Schatten vor sich hinschweben und tanzen gesehen haben, um von
den Zauberscheinen und wundersamen Träumen, die einen im Norden
überfallen, eine Vorstellung zu haben. Meisterhaft hat Tegnor in seiner
Frithjofsage den Lichtzauber nordischer Sommernächte geschildert:
„Mittnachtsonn' auf den Bergen lag,
blutrot anzuschauen;
es war nicht Nacht, es war nicht Tag,
es war ein seltsam Grauen."
Den Bewohnern des hohen Nordens ist die lange Nacht die Zeit
der Ruhe für alles Handelsleben. Jenseits des Polarkreises setzt die
Natur dadurch dem ruhelosen Menschengeschlechte einen Markstein seiner
Thätigkeit. Der Nordländer hält seinen Winterschlaf und sehnt sich un¬
ruhig nach dem Augenblicke, in welchem ein Lichtstreif im Osten den
neuen Tag verkündigt. Oberländer.
172. Die Sonne bringt es an den Tag.
1. Gemächlich in der Werkstatt saß
zrmt Frühstück Meister Nikolas,
die junge Hausfrau schenkt ihm ein,
es war im heitern Sonnenschein. —
Die Sonne bringt es an den Tag.
2. Die Sonne blinkt von der Schale Rand,
malt zitternde Kringeln an die Wand,
und wie den Schein er ins Auge faßt,
so spricht er für sich, indem er erblaßt:
Du bringst es doch nicht an den Tag.
3. Wer nicht? was nicht? die Frau fragt gleich;
was stierst bu so an? was wirst du so bleich?
Und er darauf: sei still, nur still;
ich's doch nicht sagen sann noch will.
Die Sonne bringt's nicht an den Tag.