Full text: (Fünftes und sechstes Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

Ungunst des Wetters und durch den Hunger im Winter. Ward 
je ein Stück bedeutend alt, so ward es auch sofort eine Bente 
der Raubtiere, sobald seine Kräfte anfingen nachzulassen. Ein 10 
gewaltsamer Tod ist deshalb von jeher das Schicksal des Rindes 
gewesen. Der Unterschied besteht nur im Leben, und dies war 
ehedem täglich mit Not und Todesfurcht versetzt; heutzutage 
ist es dem meisten Rindvieh behaglicher gemacht als selbst 
manch armem Menschenkinde. 15 
Siehst du auf weiter Flur die Herden breitstirniger Rinder 
dahinwandeln oder auf dem Wiesenplane wiederkäuend ruhen, 
so werden sie dir als wichtige Mitglieder im Haushalt der Staaten 
und Völker erscheinen, denen es obliegt, aus grünem Gras und 
saftigem Kraut zahllose Dinge zu bereiten, die des Menschen 20 
Kraft ohne sie nimmer zustande brächte. Butter und Käse ge¬ 
hören ja allervvärts mit zum lieben Brot und zur täglichen 
Nahrung. Der Talg gibt Kerzen und Seife, das Horn die Kämme 
und tausend Kleinigkeiten im gewöhnlichen Leben. Auf Rind¬ 
leder wandeln die meisten Menschen durchs Leben, wenn sie25 
nicht barfuß gehen oder Holzschuhe tragen, und viele stecken 
sogar die Hände in Kalbfell. Es diente der Mensch dem wilden 
Rinde, als er sich seiner annahm, um es zu pflegen. Es dient 
wiederum das gezähmte Rind dem Menschen und macht ihm 
das Leben behaglicher. Eins dient dem andern im wohlge- 30 
Ordneten Haushalt. Hermann Wagner. 
42. Das Renntier. 
1. 
ußer dem Kamele beweist es vielleicht kein Tier leichter als 
J'-l» das Renntier, wie innig die Geschichte der Menschheit an 
die Geschichte der Tierwelt geknüpft ist. So wenig die Wüste 
ein zweites ähnlich nützliches Geschöpf besitzt wie das Kamel, 
das schon nach dem Bau seiner Hufe, seines Magens, seiner5 
Zähne, überhaupt seines ganzen Körpers der Wüste innig ange¬ 
paßt ist, so wenig besitzt der Nordpolarkreis ein zweites Ge¬ 
schöpf, das wie das Renntier in allen Beziehungen in innigstem 
Einklang zu Himmel, Boden und Pflanzenwelt der Polarländer 
steht. Ohne das Kamel wäre die Wüste für den Menschen 10 
auf immer eine tote, unbekannte, unbewohnbare Steppe ge¬ 
blieben ; ohne das Renntier würden die Fluren von Lappland,
	        
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