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Uhland.
Welche Glut ist ausgegossen
Über Wolken, Meer und Flur!
Blieb der goldne Himmel offen,
Als empor die Heil'ge fuhr?
Blüht noch auf den Rosenwolken
Ihres Fußes lichte Spur?
Schaut die Reine selbst hernieder
Aus dem glänzenden Azur?
Alle Pilger gehn getröstet,
Nur der eine rührt sich nicht,
Liegt noch immer an der Schwelle
Mit dem bleichen Angesicht;
Fest noch schlingt um Leib und Glieder
Sich der Fesseln schwer Gewicht,
Aber frei ist schon die Seele,
Schwebet in dem Meer von Licht.
141. Einkehr.
(1811.)
Bei einen: Wirte wundermild.
Da war ich jüngst zu Gaste;
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.
Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehret;
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste;
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das beste.
Ich fand ein Bett zu süßer Ruh
Auf weichen, grünen Matten;
Der Wirt, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.
Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit,
Da schüttelt' er den Wipfel;
Gesegnet sei er allezeit
Von der Wurzel bis zum Gipfel!
142. Schäfers Sonntagslird.
(180.',.)
Das ist der Tag des Herrn! Anbetend knie' ich hier.
Ich bin allein auf weiter Flur; O süßes Graun, geheimes Wehn,
Noch eine Morgenglocke nur. Als knieten viele ungesehn
Nun Stille nah und fern. Und beteten mit mir!
Der Himmel nah und fern,
Er ist so klar und feierlich,
So ganz, als wollt' er öffnen sich.
Das ist der Tag des Herrn!
143. König Karls Meerfahrt.
(1812.)
Der König Karl fuhr über Meer
Mit seinen zwölf Genossen,
Zum heil'gen Lande steuert' er
Und ward vom Sturm verstoßen.
Da sprach der kühne Held Roland:
„Ich kann wohl fechten und schirmen,
Doch hält mir diese Kunst nicht stand
Vor Wellen und vor Stürmen."