Full text: [Teil 2 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 2 = Quinta, [Schülerband])

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beweist die erschütternde Klage, die er in seinem „Vaterunserliede" an¬ 
stimmte : 
„Vater unser der Elenden, 
Willst du nicht mehr Vater sein? 
Willst du gar dein Herz abwenden 
Von uns, deinen Kinderlein? 
Willst du uns kein Brot mehr geben? 
Oder ist zu kurz dein' Hand? 
Wovon sollen wir denn leben? 
Feind und Freund verheert das Land. 
Alles lieget brach und öd', 
Alles ist voll Krieg und Fehd'; 
Ach, soll denn kein Fried' auf Erden 
Nimmermehr geheget werden?" 
Als ein liebevoller, treusorgender Vater stand Rinckart auch bei diesem 
Unglück inmitten seiner darbenden Gemeinde. Er suchte zu helfen, so¬ 
weit er nur konnte, er teilte mit den Hungrigen sein Brot und ging 
in den Unterstützungen öfters weit über seine Kräfte und Mittel; ebenso 
suchte er der Wohlhabenden Herzen und Hände zu öffnen, soviel in seiner 
Macht stand. In Verbindung mit einigen andern wohlthätigen Ein¬ 
wohnern verteilte er wöchentlich an mehreren Tagen Brote, wobei sich 
die Armen zu Hunderten vor seinem Hause versammelten. Endlich schien 
das Elend zu weichen, da nahte neues Unheil; doch Rinckarts schöner 
Berus war es, ein Schutzengel seiner Vaterstadt zu werden. 
Im Jahre 1639 hielt der schwedische Oberstleutnant von Dörfling 
die Stadt belagert. Er forderte von den armen Eilenburgern unter 
harten Bedrohungen die Summe von 30 000 Thalern. Mutig und un¬ 
verzagt ging Rinckart hinaus ins feindliche Lager, um eine Fürbitte für 
die erschöpfte Stadt einzulegen. Leider mußte er mit einer abschlägigen 
Antwort zu seinen harrenden Mitbürgern zurückkehren. „Kommt, meine 
lieben Kirchkinder, rief er aus, wir finden bei den Menschen kein Gehör 
noch Gnade mehr; wir wollen mit Gott reden." Sofort ließ er zur 
Betstunde läuten. Nachdem das Lied: „Wenn wir in höchsten Nöten 
sein" gesungen worden war, kniete Rinckart vor dem Altare nieder und 
sprach ein tief ergreifendes Gebet, in welchem er Gott um Hilfe anrief. 
Die Kunde von dieser kirchlichen Handlung drang bis zu dem schwedischen 
Befehlshaber, der hierdurch so gerührt ward, daß er seine Forderung 
zuerst auf 8000 Thaler und später, als Rinckart nochmals eine flehent¬ 
liche Bitte gewagt hatte, auf 2000 Gulden ermäßigte. 
Trotz aller seiner liebevollen Aufopferung in den Trübsalen des 
Krieges hatte Rinckart in seiner Gemeinde doch auch manchen Widersacher 
gefunden und manchen Undank erfahren. Dagegen erblühte ihm im Schoße
	        
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