Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

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waren glatt und schlüpfrig, jeder Tritt voll Gefahr. Dazu kamen die 
Klagen der durchnäßt und frierend überall umher sitzenden oder stehenden 
Angehörigen der Verschütteten. Man war durch dies alles ziemlich 
mutlos geworden und hatte so den Beginn der eigentlichen Rettungs¬ 
arbeit fast bis gegen Abend hinausgeschoben. 
Die Zeit bis dahin war aber nicht ungenützt verstrichen. Der 
wackere Bruchmeister Richter war mit völliger Todesverachtung trotz des 
bröckelnden Gesteins und des nachstürzenden Gerölls in Gemeinschaft mit 
fünf unerschrockenen Männern auf den Trümmerberg geklettert, um hier 
einen Plan für die bevorstehenden Rettungsarbeiten zu entwerfen. Mit 
ängstlicher Spannung verfolgte man den Weg der Braven, die bald auf 
Geröllhügeln auftauchten, bald zwischen riesigen Felsblöcken verschwanden- 
Plötzlich sah man sie, fast auf der höchsten Höhe des Trümmerberges, 
Halt machen und einen von ihnen versinken. Hier hatte sich nämlich 
eine Kluft gezeigt, welche zu den Verschütteten tief hinabzuführen schien. 
Sie war kaum so breit, daß ein Mensch sich hindurchzwängen konnte. 
Dennoch kroch ein junger Steinbrecher, Namens Linke, der Sohn des 
Alten drunten in der Gruft, hinein. Er verschwand zuletzt vor den 
Augen der ihm nachsehenden Männer. Drei Viertelstunden harrten 
dieselben auf seine Rückkehr und hielten ihn endlich für verloren. Da 
tauchte er unter freudigem Zurufe wohlbehalten wieder auf und erzählte, 
wie er es in der Kluft gefunden hatte. Die Männer stiegen herab, und 
der Plan zur Rettungsarbeit war nun gemacht. 
Man wollte auf zwei Wegen versuchen, zu den Verschütteten hin¬ 
durchzudringen. Der eine sollte unten durch die gestürzte Masse hindurch 
gebrochen werden; er mußte fast 23 Meter lang sein, um ihr Grab zu 
erreichen. Der andere sollte durch die genannte Kluft versucht werden- 
Der junge Linke behauptete, bis auf 12 Meter Entfernung zu den Ver¬ 
schütteten hinabgedrungen zu sein. Zu diesem Wege meldete sich frei¬ 
willig eine kleine Schar mutiger Männer. 
Unterdessen war es finster geworden. Im Lichte der angezündeten 
Fackeln leuchtete die Felsenwand unheimlich in die dunkle Gegend hinaus- 
Ter Regen stoß noch immer in Strömen herab. Der Sturz neuer 
Schutt- und Steinmassen machte jede Annäherung an die Stelle, wo die 
Arbeiten beginnen sollten, lebensgefährlich. Man benutzte also die Nacht 
dazu, um sich vor allen Dingen gegen diese Gefahr zu schützen. In 
dem nächsten Walde wurden gegen fünfzig starke Bäume gefällt, herbei¬ 
geschafft und Stamm an Stamm gegen die Felswand gelehnt. Ans 
diese Weise bildeten sie ein starkes, schräges Dach, welches die herab¬ 
stürzenden Steine weit von sich schleuderte, und in dessen Schutze die 
Leute rüstig und ohne Sorgen an die rettende Arbeit gehen konnten. 
Noch viel schwieriger war es, sicheren Schutz auch oben für die Männer 
zu schaffen, welche in die Kluft hineindringen und sich so zu den Ver¬
	        
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