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waren glatt und schlüpfrig, jeder Tritt voll Gefahr. Dazu kamen die
Klagen der durchnäßt und frierend überall umher sitzenden oder stehenden
Angehörigen der Verschütteten. Man war durch dies alles ziemlich
mutlos geworden und hatte so den Beginn der eigentlichen Rettungs¬
arbeit fast bis gegen Abend hinausgeschoben.
Die Zeit bis dahin war aber nicht ungenützt verstrichen. Der
wackere Bruchmeister Richter war mit völliger Todesverachtung trotz des
bröckelnden Gesteins und des nachstürzenden Gerölls in Gemeinschaft mit
fünf unerschrockenen Männern auf den Trümmerberg geklettert, um hier
einen Plan für die bevorstehenden Rettungsarbeiten zu entwerfen. Mit
ängstlicher Spannung verfolgte man den Weg der Braven, die bald auf
Geröllhügeln auftauchten, bald zwischen riesigen Felsblöcken verschwanden-
Plötzlich sah man sie, fast auf der höchsten Höhe des Trümmerberges,
Halt machen und einen von ihnen versinken. Hier hatte sich nämlich
eine Kluft gezeigt, welche zu den Verschütteten tief hinabzuführen schien.
Sie war kaum so breit, daß ein Mensch sich hindurchzwängen konnte.
Dennoch kroch ein junger Steinbrecher, Namens Linke, der Sohn des
Alten drunten in der Gruft, hinein. Er verschwand zuletzt vor den
Augen der ihm nachsehenden Männer. Drei Viertelstunden harrten
dieselben auf seine Rückkehr und hielten ihn endlich für verloren. Da
tauchte er unter freudigem Zurufe wohlbehalten wieder auf und erzählte,
wie er es in der Kluft gefunden hatte. Die Männer stiegen herab, und
der Plan zur Rettungsarbeit war nun gemacht.
Man wollte auf zwei Wegen versuchen, zu den Verschütteten hin¬
durchzudringen. Der eine sollte unten durch die gestürzte Masse hindurch
gebrochen werden; er mußte fast 23 Meter lang sein, um ihr Grab zu
erreichen. Der andere sollte durch die genannte Kluft versucht werden-
Der junge Linke behauptete, bis auf 12 Meter Entfernung zu den Ver¬
schütteten hinabgedrungen zu sein. Zu diesem Wege meldete sich frei¬
willig eine kleine Schar mutiger Männer.
Unterdessen war es finster geworden. Im Lichte der angezündeten
Fackeln leuchtete die Felsenwand unheimlich in die dunkle Gegend hinaus-
Ter Regen stoß noch immer in Strömen herab. Der Sturz neuer
Schutt- und Steinmassen machte jede Annäherung an die Stelle, wo die
Arbeiten beginnen sollten, lebensgefährlich. Man benutzte also die Nacht
dazu, um sich vor allen Dingen gegen diese Gefahr zu schützen. In
dem nächsten Walde wurden gegen fünfzig starke Bäume gefällt, herbei¬
geschafft und Stamm an Stamm gegen die Felswand gelehnt. Ans
diese Weise bildeten sie ein starkes, schräges Dach, welches die herab¬
stürzenden Steine weit von sich schleuderte, und in dessen Schutze die
Leute rüstig und ohne Sorgen an die rettende Arbeit gehen konnten.
Noch viel schwieriger war es, sicheren Schutz auch oben für die Männer
zu schaffen, welche in die Kluft hineindringen und sich so zu den Ver¬