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Ob ich dem Sturm zu viel erlaubt?
Hätt' ich dir Sonnenschein gegeben,
So hätte dir der Pfeil das Leben,
Das dir der Sturm erhielt, geraubt."
6. Der Geizhals und der Affe.
Ein Geizhals hatt' einst einen Affen.
Ein Geizhals sein und den sich anzuschaffen?
Kaum glaub' ich das — doch ja,
Gesellschaft kostet Geld, und Menschen können stehlen;
So war zum Zeitvertreib dafür der Affe da.
Vor dem braucht' er nichts zu verhehlen;
Er mochte wuchern oder zählen,
Der schwatzte nichts, und kurz, er war nach seinem Sinn.
Einst rief der Glockenschlag ihn nach der Kirche hin;
ro Denn hier dacht' er, durch Beten und durch Singen
Gott neuen Segen abzuzwingen.
In großer Eil' ließ er das Schreibpult offen stehn,
Wo ihn der Affe hatt' im Golde wühlen sehn.
Petz, der den Haufen Gold erblickte,
Und den die Langeweile drückte,
Sann sich zum Zeitvertreib ein kleines Spielwerk aus.
Er holt' ein Goldstück nach dem andern
Und ließ zum Fenster frisch hinaus
Die Louisdor und die Dukaten wandern.
20 Das war ein Lärmen um das Haus!
Wer laufen konnte, lief, und bald ward zum Gedränge,
So breit die Straße war, der Platz doch viel zu enge.
Rips, raps! „Herr Petz, mir auch ein Stück!" . . .
Man haschte, sprang und fiel, und wem zum guten Glück
Eins in die Hände flog, dem kam es hoch zu stehen.
Ei, welche Lust, dies Schauspiel anzusehen!
Indessen kam Herr Harpagon zurück.
„Hilf Himmel! Wer? Wie? Wo? Was giebt's für Unglück hier?
O weh! — Mein Geld? — Komm' ich hinauf zu dir,
30 Du Dieb! so soll dein Blut. . . ."
Hier schwieg er; denn ihm schloß die Lippen seine Wut.
„Herr, sprach ein alter Mann, Herr, mäßigt Eure Hitze!
Das Geld ist Euch wie ihm und ihm wie Euch nichts nütze.
Der Affe wirft es weg, und Ihr? Ihr sperrt es ein.
Wer mag von euch der klügste sein?" Weiße.