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im Westen die vom Duft leis verschleierte Bergkette des ruinenreichen
alten Wasgau sichtbar wird. Und wem die Stunde günstig ist, der sieht
wohl auch gegen Abend, wenn die Sonne langsam niedertaucht, jenseits
des Bodensees die ewigen Firnen und Schneehäupter der Alpen tief int
Süden in überirdischer Hoheit anfragen.
Das Gelände aber, das sich zwischen dem Nordwestrande der Alb
und dem Neckar ausdehnt, ist echtes Schwabenland. Fruchtbare Äcker
wechseln mit Obstgärten, deren Bäume die süße Last nicht zu tragen ver¬
mögen und von einem Kreis hoher Holzstützen umringt sind. Mitten in
den Feldern, an den Straßen und Hängen prangen Obstbäume; hoch¬
rankender Hopfen wechselt mit herrlichen Weinanlagen, in denen eine gute
Traube heranreift. Kein fußbreit Landes liegt hier unbenutzt. Segen
quillt in heiterer Fülle, wohin sich auch das Auge des Wanderers wendet.
Das macht die Menschen hier so froh, so gesund und zufrieden, daß sie
singend zu ihrem Tagewerk schreiten. Altertümliche Städtchen, um welche
Sage und Geschichte unverwelkliche Kränze geflochten, wechseln mit wohl-
häbig ausschauenden Dörfern. Da brummt und grunzt es aus den
stattlichen Ställen, naseweises Federvolk gackert auf den Straßen und
um die Brunnen; kunstvoll geschmiedete Aushängeschilder sagen dem
Wanderer, wo ein guter Tropfen rinnt; Weingerank klettert bis zum
Dachfirst der sauberen Fachwerkhütten und um das trauliche Heim des
Pfarrers. Und in diese blühende, glückliche Niederung schauen stolze
Burgruinen von den Bergen nieder, verwitterte Zeugen einer großen, oft
wildbewegten, aber auch glänzenden Zeit.
Der Hohenstaufen.
Nach A. Mauer und A. Triuius.
In der Mitte des schwäbischen Landes, fast gleich weit vom Rhein,
vom Lech und dem Bodensee entfernt, erhebt sich der Hohenstaufen, ein
kegelförmiger Berg, ans dessen Gipfel einst das Stammhaus der schwäbischen
Herzoge und Kaiser gestanden hat. Weithin ist des Berges Haupt sicht¬
bar, und du magst kommen, von welcher Richtung du willst, so zeigt sich
dir sein hochragender Scheitel. Er beherrscht ebenso die Gegend und die
niederen Berge, wie die mächtige Herrscherfamilie, die einst hier hauste,
die niedern Geschlechter und die Landschaft umher beherrschte. Der baum¬
lose Gipfel des Berges gewährt eine herrliche Aussicht. Gegen Süden
übersieht man den mittleren Teil der schwäbischen Alb mit ihren malerischen
Thälern und Schluchten, Vorsprüngen und Gipfeln. Gegen Westen er¬
blickt man die schönen Gegenden, die der Neckar durchströmt: das reiche
Württembergische Unterland bis gegen Heilbronn, in äußerster Ferne die
bläulich schimmernden Ketten des Strom- und Heuchelbergs. Von Nord¬
west bis Nordost begrenzen die limburgischen und fränkischen Waldungen