261 König Wilhelm im Lazaret. 262. Friedensbilder über Todesweh. 309
Streiter des 1. September waren sich wohl bewußt, was sie
erstritten und welche Opfer die glorreichen Kümpfe erfordert
hatten, die das Schicksal zweier mächtigen Nationen entschieden.
261. König Wilhelm im Lazaret.
Eines Tages durchschrittKönig Wilhelm die Lazaretsäle zuversailles.
Überall tröstete er, und oft war es schon der bloße Anblick seines lieben,
freundlichen Gesichts, welcher die arinen verwundeten auf Augenblicke
ihre Schinerzen vergessen ließ. — Diesmal trat er auch zu der Lager-
statte eines jungen verwundeten Infanteristen. Der war infolge eines
Schlafpulvers eingeschlummert und hatte ein Albuin von Gedichten vor
sich liegen. Der König trat leise, uin den armen verwundeten nicht
zu stören, hinzu, nahm den neben dem Album liegenden Bleistift und
schrieb die wenigen Worte hinein:
„Mein Sohn, gedenke Deines treuen Königs I
Wilhelm."
Der Soldat erwachte, und reiche Thränen perlten ihm beim Anblick
dieser Zeilen aus den Augen, wenige Tage darauf besuchte der König
wiederum das Lazaret und trat sofort auf den Infanteristen zu, drückte
ihm freundlich die ksand und tröstete ihn. Totenbleich, mit halb¬
gebrochenen Augen starrte er ins Leere. Kaum jedoch hatte er seinen
König erkannt, als er sich mit der letzten Kraft seines Körpers empor¬
richtete, denKönig mit leuchtenden Augen anblickte und sagte: „Majestät,
ich werde Ihrer ewig gedenken, auch dort oben. — Amen." — Ermattet
sank er zurück, und ein leises Röcheln verkündete, daß er ausgelitten
hatte. — Der König schloß ihm sanft die Augen, und eine Thräne
rollte dem greisen Fürsten in den weißen Bart.
262. Friedensbilder über Todesweli.
I.
Unter dem roten Kreuze. Die Bestimmungen des
sogenannten Genfer Vertrages (Konvention) haben in den
Kriegsjahren 1870 und 1871 viel Segen gestiftet und viel Elend
gemildert. — Dieselben enthalten folgendes:
Alle Feldlazarete und Militär-Hospitäler, die Kranke und
Verwundete enthalten, sind neutral, d. h. es darf von beiden
kriegführenden Teilen auf sie nicht geschossen werden. Ebenso
sind alle Ärzte und Wärter, die zu ihnen gehören, alle, die
Verwundete transportieren, und alle Feldgeistlichen unantastbar
und dürfen nicht gefangen genommen werden. Vorräte,
Lebensrnittel und Heilmittel, die für die Imzarete herbeigeführt
werden, darf der Feind nicht wegnehmen, wie es sonst im
Kriege geschieht. Auch alle Landesbewohner, die den Ver¬
wundeten zu Hilfe eilen, sollen geschont werden und frei bleiben.
Jeder Verwundete, der in einem Hause aufgenommen und
verpflegt wird, dient diesem Hause als Schutz, so dass dasselbe
von Einquartierung und von einem Teile der Kriegssteuern
frei bleibt. Verwundete oder kranke Krieger sollen aufgenommen
und gepflegt iverden ohne Unterschied, zu welchem Volke sie