Full text: Deutsches Lesebuch für die unteren Klassen höherer Lehranstalten

Sagen und Erzählungen. 
Doch auf seinen Augenwimpern „Frisch,“ ruft der Führer, „nehmt die 
Liegt des Schlafes tiefe Nacht. Hörner! 
3 Vorgesunken ruht das Antlitz, Ein Jagdstück töne durch den Wald! 
Dem sich Ernst und Milde paart, 4 Man sagt, der Kaiser Rotbart hörte 
Durch den Marmortisch gewachsen Die Jagdmusik zeitlebens gern; 
Ist sein langer goldner Bart. Ihr wißt, er schlummert hier, so bringet 
4 Rings, wie eh'rne Bilder, stehen Ein Ständchen dar dem alten Herrn!“ 
Seine Ritter um ihn her, 5 Die langgezognen Töne dringen 
Harnischglänzend, schwertumgürtet, So hell und klingend durch die Nacht, 
Aber tief im Schlaf, wie er. Daß in dem nahgelegnen Dörfchen 
5z Alles schweigt, nur hin und wieder Wohl mancher wundernd drob erwacht. 
Fällt ein Tropfen vom Gestein, 6 Da regt sich plötzlich um den Berghang 
Bis der große Morgen plötzlich Gar wunderlicher Lichtertanz, 
Bricht mit Feuerglut herein. Der Eichen Riesenstämme ragen 
5 Bis der Adler stolzen Fluges Ringsum in zauberhaftem Glanz. 
Um des Berges Gipfel zieht, 7 Und staunend sehen die Gesellen 
Daß vor seines Fittichs Rauschen Vor sich ein jugendliches Weib; 
Dort der Rabenschwarm entflieht. Kostbare Prachtgewänder wallen 
7 Aber dann, wie ferner Donner, Um ihren fürstlich hohen Leib. 
Rollt es durch den Berg hinauf, 8 Sie winkt, und ob auch jene beben, 
Und der Kaiser greift zum Schwerte, Doch folgen sie des Winkes Zwang. 
Und die Ritter wachen auf. Der Bergfuß öffnet sich; sie wandeln 
8 Laut in seinen Angeln tönend Durch einen schmalen Felsengang. 
Springet auf das eh'rne Thor, 9 So kommen sie zu einem Saale, 
Barbarossa mit den Seinen Von Lampenschimmer matt erhellt; 
Steigt im Waffenschmuck empor. Da sitzt auf hohem Marmorthrone 
9 Auf dem Helm trägt er die Krone Der alte kaiserliche Held. 
Und den Sieg in seiner Hand. 10 Sein Haupt ist auf die Brust gesunken, 
Schwerter blitzen, Harfen klingen, Die sich im Schlafe senkt und hebt; 
Wo er schreitet durch das Land. Die feuriggelbe busch'ge Braue 
10 Und dem alten Kaiser beugen Hat schier sein ganzes Aug' umwebt. 
Sich die Völker allzugleich, 11 Der mächt'ge Bart, das lange Haupt— 
Und aufs neu' zu Aachen gründet haar 
Er das heil'ge deutsche Reich. Geibel. Umrankt des Sessels Füße dicht, 
Wie sich um alter Burgen Pfeiler 
Reichwuchernd wohl der Epheu flicht. 
; ; 3 12 Hier wendet sich die Fürstin flüsternd 
81. Die Spielleute im Kyffhäuser. e e 
1 Spielleute ziehen lustig schwatzend „Tragt meinem kaiserlichen Vater 
Daher im monderhellten Wald, Noch einmal jetzt das Jagdstück vor!“ 
Indes vom Turme zu Tilleda 13 Zwar stockt vor Furcht beinah ihr 
Die mitternächt'ge Stunde schallt. Atem; 
2 Der steile Pfad führt am Kyff- Doch die Prinzessin mahnt und dringt; 
häuser, Und bald auch kehrt ihr Mut aufs neue, 
Dem sagenreichen Berg, entlang So wie der erste Ton erklingt. 
Wo seltsam Schauern manchen Wandrer 14 Wie hell und froh die Jägerweise 
Bei Nacht zu eil'gem Schritte zwang. Durch unterird'sche Hallen schallt! 
3 Doch uns're fahrenden Gesellen, Sie dringt vom hohen Felsgewölbe 
Zie machen dreist am Berge halt. Zurück mit stärkerer Gewalt. 
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