Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

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Da ließ der Junker seinen Gegnern einst entbieten, er sei nicht ab¬ 
geneigt, das Grundstück abzutreten, aber nur unter der Bedingung, daß 
ihm gestattet werde, noch eine Saat auf dem streitigen Felde bestellen und 
reifen zu lassen. 
Die hocherfreuten Mönche bedachten sich nicht lange; sie willigten ein, 
und es ward sogleich ein bündiger Vertrag über diesen Vergleich entworfen 
und mit allen Förmlichkeiten vollzogen. Dann wurde die Saat dem Boden 
übergeben. 
Als der nächste Frühling kam, betrachteten die Mönche das Feld, um 
zu sehen, welche Fruchtart der Junker zum letztenmal ernten wolle. Es 
sproßte aber weder Weizen noch Roggen, auch nicht Gerste und ein anderes 
Korn, vielmehr keimten nach und nach zarte Blättchen aus der Erde hervor. 
Anfangs konnten die Mönche nicht recht unterscheiden, was für eine Pflanzen¬ 
art dies sein möchte; bald aber erkannten sie zu ihrem großen Schrecken 
in den aufkeimenden Sprößlingen junge Eichen. 
Die Mönche waren also überlistet. Denn als die Kronen der Eichen 
hoch über das Kloster hinwegschauten, schliefen dessen Bewohner schon lange 
den ewigen Schlaf. Nach F. I. Kiefer. 
V. Erzählungen aus der vaterländischen Geschichte. 
63. Deutschlands früheste Beschaffenheit. 
Um die Zeit der Geburt Christi war unser Vaterland, das jetzt zu 
den fruchtbarsten und schönsten Ländern Europas gehört, noch ein sehr 
rauhes, unwirtbares Land. Ungeheure Wälder zogen sich von einem Ende 
zum andern, so daß das ganze Land fast wie ein einziger Wald erschien. 
Noch sind der Schwarzwald, der Spessart, der Harz, das Erzgebirge, der 
Thüringer und Böhmer Wald Überbleibsel desselben. Die Sonne ver¬ 
mochte nicht mit ihren erwärmenden Strahlen das Dickicht der Wälder zu 
durchdringen und den feuchten Boden abzutrocknen. Wild schweiften noch 
die Flüsse über ihre Ufer hinaus und bildeten Sümpfe und Moräste. 
Dicker Nebel verhüllte oft den Himmel und machte den Tag fast zur Nacht. 
Daher war der heimatliche Boden weit kälter und weniger fruchtbar als 
jetzt, wo die Wälder gelichtet sind und so der Boden frei und offen unter 
der erwärmenden und alles belebenden Sonne liegt. Edle Früchte konnten 
deshalb damals nicht gedeihen. Man fand nur wilde Baumfrüchte, Rettiche 
von ungewöhnlicher Größe und wilden Spargel. Von dem schlecht bebauten 
Boden wurde Roggen, Gerste und Hafer, wenig Weizen gewonnen. Aus 
diesem Getreide wußten sich die alten Deutschen ein berauschendes Getränk,
	        
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