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105. Thüringer Zahrmarktsleben.
Der Jahrmarkt gilt in dem hübschen Thüringer Bergstädtchen als ein
Gruß des nahenden Frühlings. Seit Menschengedenken ist dies so gewesen,
wenn er auch fast stets von Sturm und Regenschauern begleitet war.
Aber man wußte doch, daß mit dem Tage des Aufbaues der Buden auf
dem freien und geräumigen Marktplatze dem Winter der Kehraus geblasen
wurde. Und dies nicht nur im bildlichen Sinne. Dafür sorgten die
„Prager Musikanten", die bereits am Tage zuvor, zugleich mit den Brettern
und Gerüsten der Buden, auf dem Marktplatz eintrafen und nun an allen
Ecken, sowie in allen Nebengassen ihre Schauermelodien ertönen ließen.
Dem Kunstgenuß noch größere Vielseitigkeit zu gewähren, hatte sich auch
noch vor Thoresschluß ein wurmstichiger, kurzatmiger Leierkasten eingefunden,
so daß noch denselben Abend ein regelrechter Krieg in Tönen entbrannte.
Das alles konnte aber die Weihe dieser Tage nicht aufheben. Im Gegen¬
teil, man fühlte sich festlich gestimmt. Während zwischen Rathaus, Kirche
und Apotheke die Buden zurecht gezimmert und zusammengehämmert
wurden, öffnete sich ein Fenster nach dem andern, und mit Entzücken
lauschte man den Klängen der alten Weisen und kargte nicht mit den
Kupfermünzen.
Das Ereignis des nächsten Tages schlug aber erst dem Fasse der
Freude den Boden aus. Die Kirchturmuhr hatte noch nicht die neunte
Morgenstunde verkündet, als ein dumpfes Trommeln und das Quieken
eines Dudelsackes die Bewohner des Städtchens ans Fenster lockte. Kaum
traute man seinen Augen. Voran ein Bär, den Stab im wolligen Genick,
auf den beiden Hinterbeinen unwirsch einhertrottend, dahinter schwankt ein
Kamel, auf dessen Rücken ein rotgekleideter Affe thront und zum Ergötzen
der zusammengelaufenen Jugend die drolligsten Kunststückchen ausführt. Hin
und wieder tönt die Stimme des Bärenführers, kurze Kommandoworte
klingen über den Marktplatz, der Dudelsack setzt schwermütig ein, dazwischen
hallt das Bumbum der Trommel, das helle Schellenrasseln eines Tam¬
burins. Von allen Seiten strömen Massen herbei, zu hören, zu kaufen,
oder auch nur, um zwischen den Budenreihen neugierig auf und ab zu
wandeln. Der Jahrmarkt hat begonnen.
Wie malerisch bewegt zeigt sich doch immer wieder solch ein Jahr¬
marktsbild! Wie eng auch der Rahmen sein mag, der es umspannt, es
bleibt immer noch genug übrig, was die Bildermappe eines Malers zu
füllen würdig wäre. Eng aneinander gedrängt stehen die Buden; der Früh¬
lingswind spielt in den hochflatternden Zeltdächern, hier und dort wird
noch eine Kiste ausgepackt, die letzte Hand an die Ausschmückung des Aus¬
lagetisches gelegt, oder der Mann trottet davor auf und nieder, die Vor-