Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

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die geschicktesten Schuhflicker von Bagdad alle ihre Kunst erschöpft, 
diese Stücke zusammenzuhalten. Davon waren sie so schwer geworden, 
daß, wenn man etwas recht Plumpes beschreiben wollte, man die 
Pantoffeln des Kasern nannte. 
Als dieser Kaufmann einst auf dem großen Markte der Stadt 
spazieren ging, that man ihm den Vorschlag, einen ansehnlichen Vor¬ 
rat von Krystallgeräten zu kaufen. Er schloß den Kauf ab und sehr 
glücklich. Einige Tage nachher erfuhr er, daß ein verunglückter 
Salbenhändler nur noch Rosenwasser zu verkaufen habe und sehr in 
Verlegenheit sei. Er machte sich das Unglück dieses armen Mannes 
zu nutze, kaufte ihm sein Rosenwasser für die Hälfte des Wertes ab 
und war über diesen Kauf sehr erfreut. Es ist die Gewohnheit der 
morgenländischen Kaufleute, die einen glücklichen Handel gemacht 
haben, ein Freudenfest zu geben. Dies that aber unser Geiziger nicht. 
Er fand es zuträglicher, einmal auch etwas an seinen Körper zu wenden, 
und so ging er ins Bad, das er seit langer Zeit nicht mehr besucht 
hatte, weil er sich vor der Ausgabe fürchtete, die dadurch nötig wurde. 
Indem er nun in das Badehaus kam, sagte einer seiner Bekannten, es 
wäre doch endlich einmal Zeit, seine Pantoffeln abzudanken und sich 
ein Paar neue zu kaufen. „Darauf denke ich schon lange," antwortete 
Kasern; „wenn ich sie aber recht betrachte, so sind sie doch so schlecht 
nicht, daß sie nicht noch Dienste thun könnten." Damit begab er 
sich ins Bad. 
Während er sich badete, kam auch der Kadi von Bagdad dorthin, 
und weil Kasern eher fertig war als der Richter, ging er zuerst in das 
Zimmer, wo man sich ankleidete. Er zog seine Kleider an und wollte 
nun wieder in seine Pantoffeln treten; aber ein anderes Paar stand da, 
wo die seinigen gestanden hatten, und unser Geizhals überredete sich 
gern, daß dies neue Paar wohl ein Geschenk des Freundes sein könne, 
der ihn vorher erinnert hatte, sich ein Paar neue zu kaufen. Flugs 
zog er sie an und ging voll Freude aus dem Bade. 
Unglücklicherweise aber waren es die Pantoffeln des Kadi. Als 
dieser sich nun gebadet hatte und seine Pantoffeln begehrte, so fanden 
seine Sklaven sie nicht, wohl aber ein schlechtes Paar andere, die an 
eine andere Stelle verschoben waren, und die man sogleich für Käserns 
Pantoffeln erkannte. Eilig lief der Thürhüter hinter ihm her und 
führte ihn, als auf dem Diebstahle ertappt, zurück zum Kadi. Dieser, 
über die unverschämte Dreistigkeit des alten Geizhalses ergrimmt, 
hörte seine Verteidigung gar nicht einmal an, sondern ließ ihn sogleich 
ins Gefängnis werfen. Um nicht wie ein Dieb mit öffentlicher Schande 
bestraft zu werden, mußte er nach orientalischer Art reichlich zahlen.
	        
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