45. Der zweite lombardische Krieg.
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rieen bereiteten den Sturm vor, indem sie Solferino auf 3000 Schritte
Entfernung mit Granaten bewarfen, wobei sich ihre gezogenen Ka¬
nonen wegen ihrer größeren Tragweite als äußerst vortheilhaft er¬
wiesen. Die österreichischen Geschütze, auf den Bergsprüngen postirt,
konnten mit der Tragweite der französischen nicht wetteifern und ihre
Kugeln sielen, meist unschädlich, eine ziemliche Strecke vor den fran¬
zösischen Batterieen zu Boden. Nun begann die ganze französische
Schlachtlinie im Centrum und auf den Flügeln den Sturm. Der
Kaiser Napoleon stellte sich im dichtesten Kugelregen an die Spitze
seiner Garden und setzte sich so sehr der Gefahr aus, daß österrei¬
chische Husaren ganz in die Nähe seines Generalstabs kamen. Ströme
von Hagel und Regen, vom Winde gepeitscht, trafen die Franzosen
im Rücken und schlugen den Oesterreichern gerade ins Gesicht.
Auch der österreichische Kaiser setzte sich dem heftigsten Kugelregen
aus und begab sich im entscheidenden Augenblick vor die Front eines
zum Angriff vorrückenden Grenzerbataillons, es mit den Worten auf¬
munternd : „Vorwärts, ihr Braven, auch ich habe Weib und Kind zu
verlieren!" Allein die glänzendste Tapferkeit der Soldaten vermochte
das nicht gut zu machen, was ungeschickte Disposition verdorben
hatte; die Oesterreicher zogen sich langsam von Höhe zu Höhe zurück,
während ihre Geschütze den nachfolgenden Feind zurückhielten.
In der blutigen Schlacht hatten 300,000 Mann mit 500 Ka¬
nonen gegen einander gekämpft. Der Verlust der Alliirten betrug
20.000 Mann, ein Regiment Turcos hatte mit Ausnahme eines
Hauptmannes alle seine Officiere verloren. Die Oesterreicher geben
ihren Verlust auf 2470 Todte und 9660 Verwundete an. Die Zahl
ihrer Gefangenen betrug nach französischen Angaben 6000 Mann.
Mit Solferino war für Oesterreich die Lombardei verloren, deren
Grenze die Truppen am Morgen nach der Schlacht überschritten.
Schon am 28. setzten die Verbündeten über den Mincio und erhielten
eine wesentliche Verstärkung durch das 35,000 Mann starke Corps
des Prinzen Napoleon, das dieser in Toscana gesammelt hatte, und mit
dem Hauptheere der Alliirten vereinigte. Eine französische Flotte mit
schwimmenden Batterieen war am 16. vor Venedig erschienen und hatte
10.000 Mann Landungstruppen auf der kleinen Insel Lussin Piccolo
ausgeschifft. Während ganz Europa in athemloser Spannung auf
die Nachricht von einer großen Schlacht innerhalb der österreichischen
Festungen harrte, ward es plötzlich am 8. Juli mit der kaltblütigen
Meldung überrascht, daß zwischen Napoleon und dem Kaiser von
Oesterreich zu Villafranca ein Waffenstillstand geschlossen, und
bereits Unterhandlungen über Friedenspräliminarien im Gange seien.
Was Napoleon veranlaßt haben konnte, in seiner Siegeslaufbahn
einzuhalten, war die Lage der beiden Gegner. Oesterreich war zwar
geschlagen, aber das Heer nicht entmuthigt, es hatte seine militäri¬
schen Hülfsquellen zur Hand und Deutschland als Deckung hinter sich,
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