Full text: [Teil 4 = (5. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 4 = (5. Schuljahr), [Schülerband])

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aus dessen Deckel das wohlgeformte Bild eines Schützen stand und aus 
dessen Rundung des Meisters Name mit Tag und Jahr eingeritzt war. 
Den Krug hatte sich Meister Gotthard einmal beim Papagoyen-Schießen 
mit der Armbrust als Preis gewonnen. Ruch ein anderes Messer bekam 
der Vater, ein größeres als die übrigen, mit einem kräftigen Griff daran 
aus Hirschhorn. Dann trug sie die einfache Kost auf und brachte zuletzt 
eine Schenkkanne voll Limbecker Bier, füllte daraus des Vaters Krug 
und die Becher, und nun war alles zum Zulangen bereit. Sie rief Jakob 
und Lutke herein, die auf den ersten Ruf so schnell erschienen, als hätten 
sie schon dicht hinter der Stubentüre darauf gelauert. Der Meister rückte 
sich mit seinem Lehnstuhl an den Tisch heran und saß in seiner Kraft und 
Würde gleichsam thronend als König seiner Familie. 
Ein fröhlich Gespräch nannte der Meister die beste Würze beim 
Mahle; das liebe Gut in grübelnden Gedanken oder in verhaltenem 
Groll zu sich zu nehmen, das, meinte er, bekäme nicht und schlüge nicht 
an. So floß auch am heutigen Abendtisch die Unterhaltung in ruhigem 
Gleise munter dahin, ohne daß etwas Wichtiges zur Sprache kam. Als 
aber das einfache Mahl beinahe beendet war, erschallten drei harte, 
langsame Schläge gegen die Haustür. Ulles schwieg und horchte. 
„Da klopft ein Böttcher," sprach der Meister, „Lutke, sieh nach!" 
Lutke ging hinaus, konnte aber aus der Tür auf die dunkle Straße 
hinaus nichts erkennen als eine männliche Gestalt, die auf der Schwelle 
stand und flüsternd frug: „Arnold, bist du es?" 
„Ich heiße Lutke," sagte der Junge nicht allzu freundlich. 
„Lutke! Du? Junge, bist du gewachsen!" sprach der Fremde und 
trat ein. „Kennst du mich denn nicht? Buch nicht an der Stimme? 
Bin ja dein Bruder Gilbrecht." 
„Gil—brecht!" wollte Lutke rufen, kam aber nicht dazu, denn — 
„pscht!" machte der Bruder und hielt ihm die Hand vor den Mund, 
„schrei doch nicht! Wo sind sie?" 
„Gerade bei Tisch," flüsterte Lutke, „komm!" 
Ahnte denn niemand da drinnen etwas von dem, was hier draußen 
vorging? Mutterherz, klopfst du nicht rascher? Schwester Slsabe, fährt 
dir's nicht wie ein Blitz durch den Blondkopf: das könnte am Ende...? 
Sie lauschten wie im Bann eines Ereignisses, das etwas Seltsames bringt 
und die Luft mit einer zitternden Spannung füllt, aber eine bestimmte 
Erwartung stieg keinem auf. Sie hörten nahende Schritte die Stufen 
empor, eine Hand tastete an der Klinke, und jetzt — jetzt stand da in der 
Tür ein Wandergesell mit Sack und pack, den Hut in der Hand, und sprach 
mit volltönender, leise bebender Stimme: „Glück herein! Gott ehr' ein 
ehrbar Handwerk! Guten Abend, Vater und Mutter!"
	        
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