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Nur Lken lauschte immer mit einem Ghr auf den zunehmenden Wind,
weil sie an den Ztrand dachte, und vergaß das Einschlafen. Wenn das
Wasser herauskam, holte er alle Fische weg — all die guten frischen
Heringe — und Peters Zukunft dazu! Venn sie hatte doch mit ihren Uugen
gesehen, wie gut die Fische noch waren! Der Großvater und Peter
hatten es nicht gesehen. Immer zwischen den ruhigen Atemzügen der
Mutter und der Kleinsten stieß der Wind an die Fensterläden.
Da konnte sie es endlich nicht mehr aushalten. Ganz leise kleidete
sie sich an, nahm ein kleines Tuch und schlich wieder hinaus, von der
vüne spähte sie vorsichtig nach dem Untier, das sie gesehen. Ts mochte
aber wohl ebenso wie Vögel und Katzen endlich satt geworden sein, denn
°§ war verschwunden. Da lief sie hinunter.
Zwischen den Fischen und dem Wasser konnte sie trockenen Fußes
nicht mehr gehen- es streckte jeden Augenblick lange Zungen herauf und
leckte Fische fort. Sie rollten den nassen hang hinab, und das Wasser
tändelte mit ihnen.
Uls Tken das sah, zog sie Fchuh und Ztrümpfe aus und machte sich
eilfertig daran, die Fische höher auf den Ztrand zu werfen. Uus ihren
zusammengelegten Händen machte sie eine Fchaufel und arbeitete unab¬
lässig, während der Wind ihr das kleine dreizipflige Tuch über den Kopf
trieb und mit losen Haarsträhnen ihre Uugen peitschte.
Sie schaufelte und schaufelte, bis Kücken und Fingerspitzen schmerzten
und sie sich gerade machen mußte. Eben hatte der Mond sich wieder
entschleiert, da sah sie, daß weithin das Zilberband nur noch zur halben
Breite ruhig lag, daß die andere Hälfte wogte und schwankte und Massen
von toten Fischen aus den Wellen schaukelten. Um ihre Füße und Knie
trieben sie, und jede Welle warf Heringe auf die Kieselsteine und nahm
sie wieder mit zurück. Vas Wasser war unter die Fische gekrochen und
warf sie auf und nieder und brandete nicht mehr, weil mehr Fische waren
als Wasser.
Da erkannte Lken, daß ihr Tun beinahe vergeblich war, und weinte
laut auf. Jedoch einen Teil von dem kostbaren Gut konnte sie doch noch
retten — einen guten Teil, noch viele, viele Hände voll! Und sie griff
wieder ins Wasser und schaufelte immer schneller, als wenn es ihr Leben
gelte, und warf, was sie faßte, weit hinauf, wo es ganz sicher lag bis
morgen.
Endlich konnte sie nicht mehr. Uls sie sich atemlos und erhitzt auf¬
richtete, um einen Augenblick zu ruhen, und zu den schaukelnden, glän¬
zenden Fischen niedersah — dicht um sich, weithin und auch zur andern
Feite — wurde sie schwindelig. — — Line hohe Welle rollte heran,
schwer von Fischen, und fuhr ihr in die Kniekehlen, daß sie vornüber fiel.