Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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wandeln. Wenn es regnete oder sehr finster war, hörte man im 
Beinhaus ein ängstliches Stöhnen und Winseln, bald ein Klappern, 
als wenn alle Totenköpfe und Totengebeine darin lebendig werden 
wollten. Wer das hörte, sprang bebend wieder zur nächsten 
Kirchhofsthüre hinaus, und in kurzer Zeit sah man, sobald der 
Abend dämmerte und die letzte Schwalbe aus der Luft ver— 
schwunden war, gewisls keinen Menschen mwehr auf dem Kirch— 
hofswege, bis ein verständiger und herzhafter Mann aus einem 
benachbarten Dorfe sich an diesem Orte verspätete. Er vollte 
gern den nächsten Weg nach Hause über diesen verschrieenen 
Platz und über den Gerstenacker nebmen. Denn ob ihm gleiceh 
seine Ereunde die Gefahr vorstellten und lange abwehrten, so 
sagte er doch am Ende: „Wenn es ein Geist isb, geh' ich mit 
Gott als ein ehrlicher Mann den nächsten Weg zu meiner Frau 
und zu meinen Kindern heim, habe nichts Böses gethan, und ein 
Geist, wenn es auch der schlimmste unter allen wäre, thut mir 
nichts. Ist's aber Heisch und Bein, so habe iech zwei Päuste bei 
mir, die sind auch schon dabei gewesen.“ Er ging. Als er aber 
auf den Kirchhof kam und Kaum am zweiten Grabe vorbei war, 
hörte er hinter sieh ein Hlägliches Sehzen und Stöhnen, und als 
er zurückschaute, siehe, da erhob sich hinter ihm, wie aus einem 
Grabe herauf, eine lange, weisse Gestalt. Der Mond schimmerte 
blass über die Gräber. Totenstille war rings umhber, nur ein 
paar Pledermause flatterten vorüber. Da war dem guten Manne 
doch nieht wohl zu Mute, wie er nachher selber gestand, und 
würe gern wieder zurückgegangen, wvenn er nieht noch einmal 
an dem Gespenst hätte vorbeigehen müsson. Was war nun zu 
thun? Langsam und still ging er seines Weges zwischen den 
Grũbern und an manchem schwarzen Totenkreuz vorbei. Langsam 
und immer ächzend folgte zu seinem Entsetzen das Gespenst ihm 
nach, bis an das Ende des Kirchhofs, und das war in der Ord- 
nung, und bis vor den Kirchhof hinaus, und das war dumm. 
Aber so geht es. Kein Betrũüger ist so schlau, er verrät sich. 
Denn sobald der verfolgte Ehrenmann das Gespenst auf dem 
Acker erblickte, dachte er bei sich selber: „Ein rechtes Gespenst 
muss wie eine Schildwache auf seinem Posten bleiben, und ein 
Geist, der auf den Kirchhof gehört, geht nicht aufs Ackerfeld.“ 
Daber bekam er auf einmal Mut, drehte sich schnell um, falste 
die weisse Gestalt mit fester Hand und merkte bald, dals er 
unter einem Leintuch einen Burschen am Brusttuech habe, der 
noch nieht auf dem Kirchhofe daheim sei. Er fing dahber an,
	        
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