Full text: [Teil 4 = 5. Schulj, [Schülerband]] (Teil 4 = 5. Schulj, [Schülerband])

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5. 
Am Morgen nach dem nächsten Vollmondabend sammelte 
sich auf einem weiten Grasland am Flusse alles, was mitziehen 
wollte nach Rom. Kühe, Pferde, Wagen, Hausgerät, Waffen 
ohne Zahl, und Männer, Frauen, Kinder und Greise — alles 
zog mit. 3 
Ern stundenlanger Zug war es, der dem Flußlauf strom¬ 
auf folgte. 
Die Leute in den Ortschaften, durch die sie zogen, schlossen 
sich ihnen an. So wuchs das Heer. Immer größer wurde die 
Zahl derjenigen, die nach dem neuen Lande zogen. 1(1 
Und als sie in das himmelhohe Gebirge kamen, das Deutsch¬ 
land von Italien trennt, da stürzte mancher Wagen in die Tiefe 
und manches Pferd wurde mitgerissen. Aber sie kamen doch 
hinüber. Ein Schrecken kam über ganz Italien, als die Deutschen 
heranrückten. Römische Kriegsscharen wurden ihnen entgegenge- 15 
schickt, doch kein Heer konnte ihnen standhalten. Siegreich und 
unaufhaltsam drangen die wandernden Völker vor. So lernten 
sie auf ihrem Zuge nach Rom die Schönheit und den Reichtum 
des Landes kennen. So zogen sie bis vor die Kaiserstadt und 
eroberten sie, doch das Glück, das sie suchten, haben sie in Italien 20 
nicht gefunden. Untergegangen oder wieder in die alte Heimat 
zurückgekehrt sind alle, die ausgezogen waren nach dem gelobten 
Lande. 
So wie dies Volk es gemacht hat, so Habens andre nach 
ihm gemacht. Allmählich kam ganz Deutschland ins Wandern 2s 
hinein. Allen deutschen Stämmen wurde die Heimat zu eng, sie 
sehnten sich nach der Ferne und begannen das Glück in fremden 
Landen zu suchen. 
Aber, so schön die Bilder auch waren, die ihnen die Ferne 
vorspiegelte, das Glück wohnt nun einmal nicht in fernem Lande. 3a 
Es wohnt still versteckt in jedem Menschenherzen. Erst wer es da 
zu finden vermag, der hat es gewonnen. Doch das war es grade, 
was niemand glauben wollte. 
6: 
Nun, jene unruhigen Zeiten, wo ein Volk das andre drängte 
und in Bewegung brachte und aufreizte zum Wandern, sind ja 
längst dahin, Jahrhunderte sind seitdem vergangen. Und doch 
ist die Wanderlust geblieben bis auf unsre Zeit. Anch heute 
Plümer-Haupt-Bachmann, Lesebuch IV. 7
	        
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