Full text: Für die Klasse V (Teil 2 = Unterstufe, [Schülerband])

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Erzählungen. 
war zu thun als — umzukehren und dem erzürnten Herrn die unwill¬ 
kommene Botschaft zu bringen, daß Roß und Reiter und Geld verloren. 
Erst am dritten Abend treffen sie, halb tot vor Erschöpfung und 
Hunger, mit Pferden, die sich kaum noch schleppen, iit Mardin wieder 
ein; ihnen bleibt nur der traurige Trost, über dieses neue Beispiel von 
Treulosigkeit eines Arabers zu schimpfen, wobei sie jedoch genötigt sind, 
dem Pferde des Verräters alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und 
einzugestehen, daß ein solches Tier nicht leicht zu teuer bezahlt werden kann. 
Am folgenden Morgen, als eben der Imam zum Frühgebet ruft, 
hört der Pascha Hufschlag unter feinen Fenstern, und in den Hof reitet 
ganz harmlos unser Scheich. „Sidi!" ruft er hinauf, „Herr, willst du 
betn Geld oder mein Pferd?" 
30. Gin Abenteuer in Indien. 
Aus einer Zeitschrift. 
Ein englischer Beamter in Ostindien, Sir Gilbert Campbell, erzählt 
folgendes merkwürdige Ereignis. 
Ich mußte einst von Wassind ttach Mhow reisen. Es war in der 
Regenzeit, und wir hatten damals noch keine Eisenbahnen. So unan¬ 
genehm aber auch die Reise war, so ließ sie sich doch nicht aufschieben. 
Ich stieg demnach auf meinen alten Karren und reiste ab. Diese lange 
Fahrt ohne Haltestelle und mit einem langsamen Gespann auf beit elenden 
Wegen war so aufreibend, daß ich davon das Fieber bekam. Obschon 
die geringste Verzögerung der mir übertragenen Angelegenheit nachteilig 
werden konnte, entschloß ich mich doch eines Abends, vor einer Herberge 
anzuhalten und dort zu übernachten. 
Ich bezog ein mit Kalk geweißtes Zimmer, das mit zwei wackligen 
Stühlen, einem elenden Tische und einem Lager ausgestattet war. Neben 
diesem „Salon" lag das Badezimmer, ein enger Raum, in dem vier 
oder fünf thönerne, mit Wasser angefüllte Krüge standen und in dessen 
Mauer unten sich ein Loch befand, durch welches das Wasser ablief, 
wenn man seine Waschung beendet hatte. 
Ich war so inüde von dem Rütteln und Knarren meines elenden 
Gefährts, daß ich mich, sobald ich ein Glas Wein getrunken und eine 
Cigarre geraucht hatte, aus mein Lager warf und bald in einen schweren 
Schlaf sank, der aber von häßlichen Träumen heimgesucht wurde. Es 
war mir, als läge eine schwere, eiskalte Masse ans meiner Brust, die 
mich zu ersticken drohte. Plötzlich erwache ich und will sogleich von 
meinem Lager herunterspringen; doch ganz entsetzt halte ich mich zurück. 
Bei dem Schein der in meinem Zimmer brennenden Lampe erblicke ich
	        
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