Fr. Wagenfeld, Die Urem er Gluckhenne.
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49. Die Bremer Gluckhenne.
Fr. Wagenfeld, Bremer Volkssagen.
Der Himmel war trübe und bewölkt und schaute drohend her¬
unter auf ein Häuflein armer, heimatloser Menschen, Männer, Weiber
und Kinder, die mit ihren Kähnen mitten im Strom fischten.
Sie hatten sich den Überfällen ihrer mächtigen Nachbarn ent¬
zogen; ihr ärmlicher Besitz freilich war nicht geeignet, die Raub¬
lust derselben zu reizen; denn sie hatten nichts als ein paar Bretter¬
hütten und ihre Kähne und Netze. Die hätten sie gern hingegeben,
wenn sich der Feind damit hätte abfinden lassen; konnten sie doch
diesen Verlust in wenigen Tagen ersetzen. Aber sie hatten noch
ein anderes Gut, das der Feind anzutasten drohte, das war die
Freiheit. Die hielten sie höher als Gold und wollten sie sich be¬
wahren um jeden Breis, selbst mit Aufopferung der geliebten väter¬
lichen Wohnsitze.
So lagen sie denn im Flusse und spähten umher, ob nicht
irgend ein günstiges Vorzeichen zu entdecken sei. Denn der Ort
war so heimlich und der Fluss so fischreich, dass sie sich gern an
diesem Ufer niedergelassen hätten. Aber es war Abend, und sie
waren sehr traurig, dass die Geister des Landes ihnen kein Zeichen
gesandt und zu sich eingeladen hätten; sie jammerten und weh¬
klagten und waren trostlos, dass sie nun weiterziehen müssten aus
dieser schönen Gegend.
Da drang plötzlich ein Strahl der sinkenden Sonne durch das
Gewölk und erhellte die ganze Landschaft mit einem wundersamen
Glanze. Da bemerkten sie eine Henne, die sich und ihren Küchlein
einen sicheren Ruheplatz suchte für die Nacht, und jubelnd sprang
alles Volk aus den Schiffen, um der Henne zu folgen, die mit ihrer
kleinen Schar einen Hügel hinan ging und sich mit ihrer Brut im
hohen Heidekraut verbarg. Sie beschlossen nun, dies Ereignis, in
dem sie ein Schild und einen Spiegel ihrer eigenen Lage erblickten,
als ein günstiges Zeichen anzusehen und an der Stelle, wo die Henne
ein schützendes Obdach gefunden, ihre Hütten wieder aufzuschlagen.
Dieser Hügel sollte fortan der Hort der Freiheit sein.
So wurde in uralter Zeit der Grund gelegt zu der Stadt
Bremen, und da die neuen Ansiedler sich hauptsächlich vom Fisch¬
fänge nährten, so mag man mit vollem Rechte sagen, das Fischer¬
amt sei das älteste in der Stadt. Die Henne aber mit ihren Kleinen
sieht man deutlich ausgehauen über dem zweiten Rathausbogen, und
sie gilt noch heutigen Tages weit und breit für ein Wahrzeichen
der Stadt Bremen.