Full text: (Für Sexta) (Abth. 1, [Schülerband])

Onade und Friede in Christo, mein herzliebes Söhnchen! Ich sehe gern, daß du 
wohl lernest und fleißig betest. Thu also, mein Söhnchen, und fahre fort! Wenn ich 
heim komme, so will ich dir einen schönen Jahrmarkt mitbringen. 
Ich weiß einen hübschen, lustigen Garten; da gehen viele Kinder innen, haben 
güldene Roöcklein an und lesen schöne Aepfel unter den Bäumen und Birnen, Kirschen, 
Spillinge und Pflaumen, singen, springen und sind fröhlich, haben auch schöne kleine 
Pferdlein mit güldenen Zäumen und silbernen Sätteln. Da fragt' ich den Mann, des 
der Garten ist, wes die Kinder wären. Da sprach er: „Es sind die Kinder, die gern 
beten, lernen und fromm sind.“ Da sprach ich: ‚Lieber Mann, ich hab' auch einen 
Sohn, heißt Hänschen Luther; möcht' er nicht auch in den Garten kommen, daß er 
auch solche schöne Aepfel und Birnen essen möcht' und solch feine Pferdlein reiten und 
mit diesen Kindern spielen?“ Da sprach der Mann: „Wenn er gern betet, lernet und 
fromm ist, so soll er auch in den Garten lommen, Lippus und Jost auch; und wenn 
sie Alle zusammenkommen, so werden sie auch Pfeifen, Pauken, Lauten und allerlei 
Saitenspiel haben, auch tanzen und mit kleinen Armbrüsten schießen.“ Und er zeigte 
mir dort eine feine Wiese im Garten, zum Tanzen zugerichtet; da hingen eitel güldene 
Pfeifen, Pauken und feine silberne Armbrüste. Aber es war uoch früh, daß die Kinder 
noch nicht gegessen hatten; darum konnt' ich des Tanzens nicht erharren und sprach zu 
bem Mann: „Ach, lieber Herr, ich will flugs hingehen und das Alles meinem lieben 
Sbhnlein Hänschen schreiben, daß er ja fleißig bete und wohl lerne und fromm sei, 
auf daß er auch in diesen Garten komme; aber er hat eine Muhme Lene, die muß er 
mitbringen.“ Da sprach der Mann: „Es soll ja sein; geh hin und schreibe ihm alsol!“ 
Darum, liebes Söhnlein Hänschen, lerne und bete ja getrost und sage es Lippus 
und Josten auch, daß sie auch lernen und beten; so werdet ihr mit einander in den 
Garten kommen. Hiermit bis dem allmächtigen Gott befohlen und grüße Muhmen 
Lenen und gieb ihr einen Kuß von meinetwegen. Anno 1530. 
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Dein lieber Vater 
Martinus Luther.
	        
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