Brüder Grimm: Der einkehrende Zwerg. Die Roßtrappe.
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Wollte Gewalt gebrauchen und setzte die Hochzeit gleich auf den nächsten
Tag fest. Mit weinenden Augen klagte sie das ihrem Geliebten, der zu
schneller Flucht rieth und sich in der finsteren Nacht einstellte, die ge¬
troffene Verabredung ins Werk zu setzen. Es hielt aber schwer zu ent¬
fliehen; denn die Marställe des Königs waren verschloffen und alle Stall¬
meister ihm treu und ergeben. Zwar stand des Riesen ungeheurer Rappe in
einem für ihn besonders erbauten Stalle; wie sollte aber eine schwache
Frauenhand das mehr denn zehn Ellen hohe Unthier leiten, und wie war
ihm beizukommen, da es an einer gewaltig dicken Kette lag, die ihm
statt einer Halfter diente und mit einem großen Schlöffe verwahrt war,
dessen Schlüssel der Riese bei sich trug. Der Geliebte aber half aus;
er stellte eine Leiter ans Pferd und hieß die Königstochter hinaufsteigen;
dann that er einen mächtigen Schwerteshieb auf die Kette, daß sie von
einander sprang, und schwang sich selbst hinten auf. Von den Sporen ge¬
trieben, flog das Roß über Berge, Klippen und Wälder durch Thüringen
in die Gebirge des Harzes. Die kluge Jungfrau hatte ihre Kleinodien
mitgenommen, dazu ihres Vaters goldene Krone aufs Haupt gesetzt. Wäh¬
rend sie nun forteilten, fiel'S dem Riesen ein, in dieser Nacht auszureiten.
Der Mond schien bell, und er stand auf, sein Roß zu satteln. Erstaunt
sah er den Stall leer, es gab Lärm im ganzen Schlöffe, und als man
die Königstochter aufwecken wollte, war sie auch verschwunden. Ohne sich
lange zu besinnen, bestieg der Bräutigam das erste beste Pferd und jagte
über Stock und Block. Ein großer Spürhund witterte den Weg, den die
Verliebten genommen hatten; nahe am Harzwalde kam der Riese hinter
sie. Da hatte aber auch die Jungfrau den Verfolger erblickt, wandte
den Rappen flugs und sprengte waldein, bis der Abgrund, in welchem
die Bode fließt, ihren Weg durchschnitt. Angstvoll blickte Emma in die
Tiefe, denn mehr als tausend Fuß ging senkrecht die Felsenmauer hinab.
Tief unten rauschte der Strom und kreiste in furchtbaren Wirbeln. Der
entgegenstehende Fels schien noch entfernter und kaum Raum zu haben
für einen Vorderfuß des Rosses. Der Rappe stutzt einen Augenblick, da
stößt sie ihm muthig die ellenlangen Sporen in die Seite. Und das
Roß sprang über den Abgrund glücklich auf die spitze Klippe und schlug
seinen Huf vier Fuß tief in das harte Gestein, daß die Funken stoben.
Das ist die Roßtrappe. Die Zeit hat die Vertiefung kleiner gemacht,
aber kein Regen kann sie ganz verwischen. Emma war gerettet, aber die
zentnerschwere Königskrone fiel während des Sprunges von ihrem Haupte
in die Tiefe. Bodo, in blinder Hitze nachsetzend, stürzte wegen seiner
Schwere in den Strudel und gab dem Fluffe den Namen. Die Bode
nämlich ergießt sich mit der Emme in die Saale. Im Kessel der Bode
liegt die Krone noch heutzutage, von einem großen Hund- mit glühenden
Augen bewacht. Schwimmer, die der Gewinn geblendet, haben sie mit
eigner Lebensgefahr aus der Tiefe zu holen gesucht, aber bei der Rück¬
kehr ausgesagt, daß es vergebens sei; der große Hund sinke immer tiefer,
sobald sie ihm nahe kämen, und die goldene Krone sei nicht mehr zu
erlangen.