Naturleben. — 174. Der Rangstreit der Tiere. 187
Mensch, willst unseren Wert bestimmen?" — „Nach welcher Regel?
dem Grade ohne Zweifel," antwortete der Mensch, „in welchem
M mir mehr oder weniger nützlich seid." — „Vortrefflich!" versetzte
cr beleidigte Löwe, „wie weit würde ich alsdann unter den Esel zu
sehen kommen! Du kannst unser Richter nicht sein, Mensch. Verlaß
e Versammlung!"
3. Der Mensch entfernte sich. „Nun," sprach der höhnische Maul¬
wurf, und ihm stimmten der Hamster und der Igel wieder bei, „siehst
u» Pferd, der Lowe meint es auch, daß der Mensch unser Richter
^ucht sein kann. Der Löwe denkt wie wir." — „Aber aus besseren
künden als ihr," sagte der Löwe und warf ihnen einen verächtlichen
Blick zu.
4. Der Löwe fuhr weiter fort: „Der Rangstreit ist, wenn ich es
kecht überlege, ein nichtswürdiger Streit. Haltet mich für den Vor¬
nehmsten oder für den Geringsten; — es gilt mir gleichviel. Genug, ich
enne mich!" Und so ging er aus der Versammlung. Ihm folgten
er weise Elefant, der kühne Tiger, der ernsthafte Bär, der kluge Fuchs,
ns edle Pferd, kurz, alle, die ihren Wert fühlten oder zu fühlen glaubten.
le sich am letzten wegbegaben und über die zerrissene Versammlung
um meisten murrten, waren — der Affe und der Esel.
Eotthold Ephraim Lessing.
175. Der Hahn und -er Fuchs.
Ein alter Haushahn hielt auf einer Scheune Wache;
ba kommt ein Fuchs mit schnellem Schritt
und ruft: „O krähe, Freund, nun ich dich fröhlich mache!
Zch bringe gute Zeitung mit.
5 Der Tiere Krieg hört auf; man ist der Zwietracht müde;
in unserm Reich ist Ruh' und Friede;
ich selber trag' ihn dir von allen Füchsen an.
O Freund, komm bald herab, daß ich dich herzen kann. —
Wie guckst du so herum?" — „Greif, Halt und Bellart kommen,
^die Hunde, die du kennst," versetzt der alte Hahn,
und als der Fuchs entläuft, fragt er: „Was ficht dich an?"
„Nichts, Bruder," spricht der Fuchs; „der Streit ist abgetan;
allein ich zweifle doch, ob die es schon vernommen."
Friedrich o. Hagedorn.