Full text: [Teil 3 = Kl. 6 u. 5, [Schülerband]] (Teil 3 = Kl. 6 u. 5, [Schülerband])

228 Sagen usw. — 207. Abenteuer des Barons von Münchhausen. 
durch die Menge übermannt und zum Kriegsgefangenen gemacht zu 
werden. Ja, was noch schlimmer war, aber doch immer unter den Türken 
gewöhnlich ist, ich wurde zum Sklaven verkauft. 
In diesem Stande der Demütigung war mein Tagewerk nicht sowohl 
hart und sauer als vielmehr seltsam und verdrießlich. Ich mußte nämlich 
des Sultans Bienen alle Morgen auf die Weide treiben, sie daselbst den 
ganzen Tag lang hüten und dann gegen Abend wieder zurück in ihre 
Stöcke treiben. Eines Abends vermißte ich eine Biene, wurde aber sogleich 
gewahr, daß zwei Bären sie angefallen hatten und ihres Honigs wegen 
zerreißen wollten. Da ich nun nichts anderes Waffenähnliches in den 
Händen hatte als die silberne Art, die das Kennzeichen der Gärtner 
und Landarbeiter des Sultans ist, so warf ich diese nach den beiden 
Räubern bloß in der Absicht, sie damit wegzuscheuchen. Die arme Biene 
setzte ich auch wirklich dadurch in Freiheit; allein durch einen Unglück 
lichen, allzu starken Schwung meines Armes flog die Art in die Höhe 
und hörte nicht auf zu steigen, bis sie im Monde niederfiel. Wie sollte 
ich sie nun wiederkriegen? Mit welcher Leiter auf Erden sie herunter¬ 
holen? 
Da fiel mir ein, daß die türkischen Bohnen sehr geschwind und zu 
einer ganz erstaunlichen Höhe emporwüchsen. Augenblicklich pflanzte ick' 
also eine solche Bohne, die wirklich emporwuchs und sich an eines von 
des Mondes Hörnern von selbst anrankte. Nun kletterte ich getrost nach 
dem Monde empor, wo ich auch glücklich anlangte. Es war ein ziemlich 
mühseliges Stückchen Arbeit, meine silberne Art an einem Orte wieder 
zufinden, wo alle anderen Dinge gleichfalls wie Silber glänzten. Endlich 
aber fand ich sie doch auf einem Haufen Spreu und Häckerling. 
Nun wollte ich wieder zurückkehren; aber ach, die Sonnenhitze hatte 
indessen meine Bohne aufgetrocknet, -so daß daran schlechterdings nicht 
wieder hinabzusteigen war. Was war nun zu tun? Ich flocht mir einen 
Strick von dem Häckerling, so lang ich ihn nur immer machen tonnte. i 
Diesen befestigte ich an einem von des Mondes Hörnern und ließ mich 
daran herunter. Mit der rechten Hand hielt ich mich fest, und in der linken 
führte ich meine Art. Sowie ich nun eine Strecke hmuntergeglitten war, ; 
so hieb ich immer das überflüssige Stück über mir ab und knüpfte es 
unten wieder an, wodurch ich denn zienllich weit heruntergelangte. Dieses 
wiederholte Abhauen und Anknüpfen machte nun freilich den Strick 
ebensowenig besser, als es mich völlig hinab auf des Sultans Land- I 
gut brachte.
	        
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