Full text: [Teil 3 = Kl. 6 u. 5, [Schülerband]] (Teil 3 = Kl. 6 u. 5, [Schülerband])

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Menschenleben. — 38. Der Erbsenhanbel. 
Der Fremde sagte: „Nur der Ordnung wegen." 
„Sei's! Rechnet denn! Hier ist Kreide! Laßt sehen, was Euer 
Gäulchen wert ist!" 
Der Reitersmann schrieb mit der Kreide auf den Tisch: 1 — 2 
— 4 __ 8 — 16 — 32 — 64 — . 
Wolf Steinmetz lachte, rechnete aber doch, so fast aus Scherz, 
genau die jedesmalige Verdoppelung nach. 
Der Reitersmann schrieb weiter: 128 — 256 — 512 — 1024 — 
2048 — 4096 — 8192 - 16384 — 32 768 — 
Mit jeder neuen Zahl jedoch ward es dem Wirte schwüler zu¬ 
mute, und endlich ward er leichenblaß und mochte die Ungetüme von 
Ziffern gar nicht mehr sehen. Und doch waren sie erst in der Hälfte 
angelangt, an dem sechzehnten Nagel. 
Der Reitersmann aber rechnete ruhig weiter; die Ziffern ver¬ 
größerten sich ungeheuer; endlich beim zweiunddreißigsten Nagel war 
es eine Ziffer geworden, zu der die Länge des Tisches nicht mehr aus¬ 
reichte und die weder der Wirt noch seine Gäste aussprechen konnten. 
Mit Schauder und Grausen betrachtete der Wirt diese so furchtbar 
schnell gewachsene Zahl und war seiner Sinne nicht mehr mächtig. 
Der Fremde aber sprach ruhig lächelnd: „Kann ich auch Säcke genug 
bei Euch zu kaufen bekommen für meine Erbsen? Zehn oder zwölf 
Pferde mit einigen Wagen werden's wohl tun, mir die Erbsen zu 
fahren." 
Da ermannte sich der Wirt und sprach wild: „Der Handel gilt 
nicht! Schelmenstreiche sind's!" 
Der Reiter sagte: „Eure Gäste sind Zeugen!" 
„Zwölf Gulden," sprach der Wirt, „mag Euer Pferd wert sein, 
mehr nicht! Ich will Euch aber das Doppelte geben, vierundzwanzig." 
„Mir nicht so!" entgegnete der andere, „Erbsen will ich, Erbsen! 
So war die Abrede! Rach meiner Rechnung macht's 5000 Achtel in 
runder Zahl, und die verlang' ich!" 
„Verlangt nur! Kriegen aber sollt Jhr's nicht!" 
„So verklag' ich Euch bei Gericht! Wir haben Zeugen." 
Und da der Wirt kein anderes Gebot mehr tat, verklagte ihn der 
Fremde wirklich. Da ward ein gütlicher Vergleich zustande gebracht, 
wonach Wolf Steinmetz, der Wirt zur Schmiedstube, dem Verkäufer 
des Pferdes achtzig Gulden zahlen mußte und außerdem noch zwanzig
	        
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