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V. Aus der Geschichte.
seiner anmutigen und geistreichen Gemahlin, der Prinzessin Luise
Karoline Henriette von Hessen, geschmückt und beglückt wurde. Aus
eigner Anschauung suchte er die Bedürfnisse des Volkes kennen zu
lernen, und er ist dieser Gewohnheit auch später treu geblieben, indem
er für jedermann zugänglich war.
So vorbereitet bestieg er nach dem Tode seines Vaters am
6. April 1790 den Thron, den er genau 40 Jahre lang, bis zum
6. April 1830, innehatte, und zwar bis August 1806 als Landgraf,
von da an als erster Großherzog von Hessen und bei Rhein. Die
Landgrafschaft, die er übernahm, war ungefähr 10O Quadratmeilen
groß und zählte gegen 300000 Einwohner; er hinterließ seinem Nach¬
folger das Großherzogtum in einer Ausdehnung von 150 Quadrat¬
meilen und mit einer Bevölkerung von mehr als 800000 Seelen.
Als Ludwig die Regierung antrat, war in Frankreich gerade
jene große Revolution ausgebrochen, die in ihrem weiteren Verlaufe
ganz Europa in kriegerische Verwickelungen stürzte. Auch die hessischen
Truppen nahmen an dem Reichskrieg gegen den Erbfeind tätigen
Anteil und erwarben sich auf den verschiedensten Schauplätzen, am
Rhein, im Elsaß und in den Niederlanden, durch ihren Mut und
ihre Manneszucht verdiente Anerkennung. Als endlich im Jahre 1815
der Friede geschlossen wurde, erhielt Großherzog Ludwig im Austausch
gegen seine westfälischen Besitzungen die schöne Provinz Rheinhessen.
Schon während der Schrecken des Krieges hatte er den Weg einer
wohltätigen Reform seines Landes betreten; er hatte Gesetze über die
Vergütung des Wildschadens erlassen und die Leibeigenschaft und Fron¬
pflicht aufgehoben. Nach eingetretenem Frieden erleichterte er fort¬
während seinen Untertanen die auf ihnen ruhenden Lasten. Ein Netz
ausgezeichneter Straßen fing an, sich über das ganze Land auszubreiten;
Offenbach erhielt eine Schiffbrücke, und der Lauf des Rheins wurde
durch einen Durchstich am Geier verkürzt. Er hob die geistige und
sittliche Bildung des Volks durch Verbesserung des Unterrichtswesens
und durch Erweiterung der Universität Gießen, wo er namentlich dem
berühmten Chemiker Justus Liebig fürstliche Unterstützungen zuwandte.
In der Residenz wurden die wissenschaftlichen und die Kunstsammlungen
des Museums begründet und die Hofbibliothek ausgebaut. Das köst¬
lichste Kleinod aber, mit dem er seine getreuen Untertanen beschenkte,
war die Verfassungsurkunde vom Dezember 1820, durch welche das
Volk eine Reihe wichtiger Rechte und Freiheiten erhielt.
Ludwig liebte es, sich mit einem Kreise geistreicher Männer zu
umgeben, und seine erprobten Räte hielt er stets wie Freunde hoch
in Ehren. Er hörte gerne die Stimme der Wahrheit; niemals aber
lieh er der Verleunidung sein Ohr. Einen hohen Genuß boten ihm