72 Kap. 28. § 93 u. 94. Rückkehr der Juden. Die persische Weltmonarchie.
Als Krösus auf dem Scheiterhaufen, auf dem er den Feuertod erleiden sollte, durch
Solon's Erwähnung von dem Könige Cyrus Gnade erhalten hatte, behielt ihn dieser
unter seinen Ratgebern und sicherte sich die Unterwürfigkeit der Lydier dadurch, daß
er sie auf des Krösus Rat sich an Luxus gewöhnen und dadurch verweichlichen ließ.
Da die griechischen Küstenstädte Kleinasiens ihre freie Verfassung nicht auf¬
geben wollten, ließ Cyrus sie durch Harpagus unterwerfen und setzte ihnen persische
oder persisch-gesinnte Oberherren (Tyrannen). Nur die Einwohner von Teos und
Phocäa wanderten lieber aus: jene gründeten Abdera an der thrazischen Küste: diese
bauten sich in Corsica, daraus an der italischen Küste in Elea (Velin), zuletzt in Süd¬
gallien an, wo sie Massilia (Marseille) emporbrachten.
(93.) Nach seiner Rückkehr aus Kleinasien zog Cyrus in Verbindung
mit seinem Schwager Kyaxares II gegen das babylonische Reich und be¬
lagerte das mächtige Babylon, wo eben jener'Belsazar (§ 91) sein schwel¬
gerisches und verworfenes Regiment führte. Da die Babyloner hinter ihren
starken Mauern auf viele Jahre hinaus mit Vorrat versehen waren, spot¬
teten sie der Belagerung bereits zwei Jahre lang, ohne nur an einen Aus¬
fall zu denken.
Als aber Belsazar einst in seiner Hofburg ein schwelgerisches Festgelag
hielt und dabei im höhnenden Uebermute die heiligen Tempelgefäße aus
Jerusalem verunreinigte, und ihm Daniel soeben aus den plötzlich an der
Wand erschienenen Worten: „Mene, Mene, Tekel Upharsin" seinen Unter¬
gang geweissagt hatte: da drangen noch in derselben Nacht die Feinde durch
einen abgedämmten Arm des Euphrat in die Stadt, ermordeten den König
und machten — durch Erfüllung des prophetischen Wortes: „Herunter du
Tochter Babylons, setze dich herunter in den Staub!" dem babylonischen
Weltreich ein Ende.
Zunächst kam nun Babylon unter die Herrschaft des medischen Königs
Kyaxares oder Dareus Medus, der gleichfalls den nun schon hoch¬
bejahrten Daniel in seinem Amte beließ, ja durch ihn dem lebendigen Gott
die Ehre geben lernte.
Weil aber Dareus ohne Kinder starb, erbte Cyrus zu seinem persischen
Reiche nun auch das medisch-babylonische, so daß sein Scepter über
die weiten Lande vom Indus und Jaxartes bis zum ägäischen Meere, und
vom Kaukasus bis Aegypten gebot.
(94.) Durch Cyrus erfüllten sich die Weissagungen der Propheten (z. B.
Jer. 29, 10—14) von der Rückkehr der Suden aus der babtjlontfdjm
Gefaugeuschaft. In voller Anerkennung des lebendigen Gottes, den die
Juden verehrten, forderte er diese durch ein königliches Ausschreiben auf,
in ihr Land zurückzukehren und den Tempel wieder aufzubauen. Dazu gab
er ihnen alle Tempelgefäße heraus und unterstützte sie sonst noch durch frei¬
willige Gaben. Doch nur 42,360 Personen, aus den Stämmen Juda,
Benjamin und Levi, benutzten vorerst diese Erlaubnis und zogen unter An¬
führung Serubabel's, eines Fürsten aus David's Stamme, unter dem
Hohepriester Josua in ihr verödetes Vaterland zurück, wo sie sich nach
Herstellung der Geschlechtsregister gleich an den Wiederaufbau des
Tempels machten.
Cyrus selbst kam 529 v. Chr. auf einem unglücklichen Kriegszuge
gegen scythische Steppenvölker im Norden seines Reiches — nach Herodot
gegen die Massageten am Jaxartes, nach Ktesias gegen die Derbiker am
untern Oxus — um das Leben und erhielt seinen ältesten Sohn Kam-