Full text: [Bd. 1, [Schülerband]] (Bd. 1, [Schülerband])

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sei bei seiner kranken Frau gewesen, und habe ihr wollen ein Tränk— 
lein verordnen, so sei in dem ganzen Hause keine Feder, keine Dinte 
und kein Papier gewesen, nur eine Kreide. Da habe der Herr 
Doctor das Recept an die Stubenthür geschrieben, und nun solle 
der Herr Apotheker so gut sein und solle das Tränklein kochen. 
Item, wenn es nur gut gethan hat. Wohl dem, der sich in 
der Noth zu helfen weiß. 
5. 
161. Gute Antwort. 
Wer ausgibt, muß auch wieder einnehmen. Reitet einmal ein 
Mann an einem Wirthshaus vorbei, der einen stattlichen Schmeer- 10. 
bauch hatte, also, daß er auf beiden Seiten fast über den Sattel 
herunterhängte. Der Wirth steht auf die Staffel und ruft ihm nach: 
Nachbar, warum habt Ihr denn den Zwerchsack vor euch auf das 
Roß gebunden und nicht hinten? Dem rief der Reitende zurück: 
damit ich ihn unter den Augen habe. Denn hinten gibt es Spitz- 15. 
buben. Der Wirth sagte nichts mehr. 
162. Der Recrut. 
Zum schwäbischen Kreiscontingent kam im Jahr 1795 ein 
Recrut, so ein schöner wohlgewachsener Mann war. Der Officier 20. 
fragte ihn, wie alt er sei. Der Recrut antwortete: ein und zwanzig 
Jahr. Ich bin ein ganzes Jahr lang krank gewesen, sonst wär' ich 
zwei und zwanzig. 
163. Der geheilte Patient. 
Reiche Leute haben trotz ihrer gelben Vögel doch manchmal 
auch allerlei Lasten und Krankheiten auszustehen, von denen gott- 25. 
lob der arme Mann nichts weiß; denn es gibt Krankheiten, die 
nicht in der Luft stecken, sondern in den vollen Schüsseln und Glä— 
sern, und in den weichen Sesseln und seidenen Betten, wie jener 
reiche Amsterdamer ein Wort davon reden kann. Den ganzen Vor— 
mittag saß er im Lehnsessel und rauchte Tabak, wenn er nicht zu 30. 
faul war, oder hatte Maulaffen feil zum Fenster hinaus, aß aber 
zu Mittag doch wie ein Drescher, und die Nachbarn sagten manch— 
mal: windet's draußen, oder schnauft der Nachbar so? — Den 
ganzen Nachmittag aß und trank er ebenfalls bald etwas Kaltes, 
bald etwas Warmes, ohne Hunger und ohne Appetit, aus lauter 
langer Weile bis an den Abend, also daß man bei ihm nie recht 
sagen konnte, wo das Mittagessen aufhörte und wo das Nachtessen 
anfieng. Nach dem Nachtessen legte er sich ins Bett, und war so 
müde, als wenn er den ganzen Tag Steine abgeladen oder Holz 
gespalten hätte. Davon bekam er zuletzt einen dicken Leib, der so 40.
	        
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