Full text: [Bd. 1, [Schülerband]] (Bd. 1, [Schülerband])

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dem Herrn die zweite Flasche holen mußte, nahm er für sich auch 
noch eine mit vom nämlichen. Der Herr fieng endlich an, laut 
mit der Zeitung zu reden, und der Bediente nahm wie ein Echo 
zwischen der Thür und dem Fenster auch Antheil daran, aber wie? 
Der Herr las von dem großen Mammuthsknochen, der gefunden 
wurde. Der Bediente, der eben das Glas zum Munde führte, 
lallte für sich: soll leben der Mohamedsknochen! Oder als der 
Herr von dem Seminaristen las aus dem Seminarium in Pavia, 
der mit Lebensgefahr eines Schriftgießers Kind aus den Flammen 
rettete, ergriff er das Glas und „Bravo, sagte er, wackerer Semi— 
narist!“ Der Bediente aber stammelte für sich: soll leben der wackere 
Seeminister, und goß richtig das halbe Glas über die Liberei hin— 
ab. Hast du's gehört, Anton? So eine That wiegt viele Meriten 
auf, fuhr der Herr fort. — Sollen auch leben die Minoriten, er— 
wiederte der Diener; und so oft jener z. B. sich räusperte oder 15. 
gähnte, räusperte sich oder gähnte der Anton auch. Endlich sagte 
der Herr: Anton, jetzt wollen wir ins Bett. Der Anton sah seine 
Flasche an, und erwiederte: es wird ohnehin niemand mehr auf sein 
in der Wirthschaft. Denn seine Flasche war leer. Aber in der Flasche 
des Herrn war noch ein Restlein. Früh gegen zwei Uhr weckte es 
den Anton, daß noch ein Restlein in der Flasche des Herrn sei. 
Also stand er auf und trank es aus. Sonst verriecht es, dachte er. 
Als er aber sich wieder legen wollte, kam er ein wenig zu weit 
rechts an das Bett seines Herrn. Denn beide Betten standen an 
der nämlichen Wand mit den Fußstätten gegen einander. Also legte 
sich der Anton neben seinen Herrn, mit dem Kopf unten und mit 
den Füßen oben neben des Herrn Gesicht, weil er meinte, er liege 
wieder in seinem eigenen. Eine Stunde vor Tag aber, als der 
Herr erwachte, kam es ihm vor, er wußte selbst nicht wie. Soll ich 
denn gestern Abend haben Backsteinkäse heraufkommen lassen? dachte 
er. Äls er aber sich umdrehen wollte, ob ein Schränklein in der 
Wand sei, fühlte er auf einmal neben sich etwas Lebendiges und 
Warmes, und das Warme und Lebendige bewegte sich auch. Jetzt 
rief er: Anton, Anton, mit ängstlicher und leiser Stimme, daß der 
unsichere Schlafkamerad nicht aufwachen sollte, und derjenige, den 
er wecken wollte, war doch der Schlafkamerad. Anton, schrie er 
endlich in der Herzensangst so laut er konnte. Was befehlen Ihro 
Hochwürden? erwiederte endlich der Anton. — Komm mir zu Hülfe! 
Es liegt einer neben mir. — Ich kann nicht, neben mir liegt auch 
einer, erwiederte der Bediente, und wollte sich strecken, so zwar, 40. 
daß er mit dem linken Fuß unter des Herrn Kinn kam. Anton, 
Anton, rief der Herr, meiner reißt mir den Kopf ab, und suchte 
ebenfalls mit den Füßen eine Habung. Meiner will mir die Nase 
aufschlitzen, schrie noch viel ärger der Anton. Wirf deinen heraus, 
schrie der Herr, und komm mir zu Hülfe. — Also faßte der Bediente 15. 
seinen Mann an den Beinen, und dieser, als er Ernst sah, faßte 
er seinen Mann ebenfalls an den Beinen, und rangen also die 
beiden mit einander, daß keiner dem andern konnte zu Hülfe kom— 
men, und der Bediente fluchte wie ein Türk; der Herr fluchte zwar 
5.
	        
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