188
Räuber hätten dann die Leuchte gesehen und auch mich getödtet,
Deiner Gnade danke ich, daß meine Gefährten verderbt wurden,
denn ihr Geschrei hätte die Räuber gelockt. Gelobt sei dein Name
immer für und für!
2
232. Rabbi Möir und seine Gattin.
Rabbi Möir, der große Lehrer, saß am Sabbath in der Lehr⸗
schule und unterwies das Volk. Unterdessen starben seine beiden
Söhne, beide schön von Wuchs und wohl unterrichtet im Gesetze.
Seine Hausfrau nahm sie und trug sie auf den Söller, legte sie
10. auf ihr Bett und breitete ein weißes Gewand über ihre Leichname.
Abends kam Rabbi Möir nach Hause. „Wo sind meine Söhne,“
fragte er, „daß ich ihnen den Segen gebe?“ „Sie sind in die Lehr—
schule gegangen,“ war ihre Antwort. „Ich habe mich umgesehen,“
erwiederte ert, „und bin ihrer nicht gewahr geworden.“ Sie reichte
ihm einen Becher, er lobte den Herrn zum Ausgange des Sabbaths,
trank und fragte abermals: „wo sind meine Söhne, daß sie auch
trinken vom Weine des Segens?“ „Sie werden nicht weit sein,“
sprach sie und setzte ihm vor zu essen. Als er nach der Mahlzeit
gedankt hatte, sprach sie: „Rabbi, erlaube mir eine Frage!“ „Sage
aͤn, meine Liebe,“ antwortete er. — „Vor wenig Tagen,“ sprach
sie, „gab mir jemand Kleinodien in Verwahrung, und jetzt fordert
er sie zurück. Soll ich sie ihm wiedergeben?“ „Dies sollte meine
Frau nicht erst fragen,“ sagte Rabbi Möir; „wolltest du Anstand
nehmen, einem jeden das Seine wiederzugeben?“ „O nein,“ ver—
setzte sie, „aber auch wiedergeben wollte ich ohne dein Vorwissen
nicht.“ Bald darauf führte sie ihn auf den Söller, trat hin und
nahm das Gewand von den Leichnamen. „Ach, meine Söhne,“
jammerte der Vater — „meine Söhne!“ Sie wandte sich hinweg
und weinte. Endlich ergriff sie ihn bei der Hand und sprach: „Rabbi,
hast du mich nicht gelehrt, man müsse sich nicht weigern wiederzu—
geben, was uns zur Verwahrung anvertraut ward? Siehe, der
Zerr hals gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn
fei gelobet“ — „Der Name des Herrn sei gelobet!“ — stimmte
Rabbi Möir mit ein.
4
c
35
—
*
Hellenisch.
233. Die Fahrt der Argonauten.“
Es war ein König in Griechenland, der hieß Athamas und
seine Frau hieß Nephela: die hatten zwei Kinder, einen Sohn
* B. G. Niebuhr.