Full text: Für Sexta und Quinta (Abt. 1, [Schülerband])

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4. Unterdessen waren aber die hundert Begleiter Rolands 
alle gefallen; Roland selbst war von vier Speeren und von 
Steinwürfen hart verletzt, und nur mit Mühe gelang es ihm 
zu entkommen. Kaiser Karl war mit seinem Heere schon 
über die Spitzen des Gebirges hinüber und wußte nichts von 
dem, was in seinem Rücken geschah. Da irrte der Held 
Roland, kampfesmüde und tief bekümmert um den Untergang 
eines so gewaltigen Heeres und so vieler Christen, einsam 
umher und kam bis an den Fuß eines Berges, den er aber 
nicht mehr zu ersteigen vermochte. Bei einem Marmorsteine, 
der dort im Tale Ronceval errichtet war, rastete er und 
überdachte sein Geschick. Noch hatte er Durendart, ein 
Schwert von seltener Arbeit, scharf zugleich und stark, das 
nur sein Arm mit rechter Kraft schwingen konnte. Den 
Namen Durendart aber hatte es von seinen harten Schlägen. 
Dies Schwert zog Roland aus der Scheide, betrachtete es eine 
Weile und sprach alsdann mit Tränen in den Augen: „0 du 
herrliches, immerdar leuchtendes Schwert! Du bist geziert 
mit einem goldenen Kreuze und trägst den Namen Gottes 
eingegraben auf der Klinge, du besitzest alle Tugenden eines 
Schwertes. Wer aber soll von nun an dich führen im Streite? 
Die Mauren sind durch dich gefällt, und sooft ich einen der 
Ungläubigen niederschlug, gedachte ich dabei an Gott und 
Christum und an seinen Willen. Nun aber werden die Un¬ 
gläubigen selbst dich hinwegnehmen, und du wirst ihnen 
dienen müssen.“ Und vor Schmerz über das Los seines 
treuen Schwertes Durendart schlug er damit auf den Marmor¬ 
stein, um es zu zerbrechen. Aber das Schwert zerspaltete 
den Stein und zerbrach nicht. Dreimal versuchte es Roland; 
aber es wollte ihm nicht gelingen, und Durendart blieb un¬ 
versehrt. 
5. Alsdann nahm Roland sein Horn und stieß mit Macht 
hinein, damit die Christen, die etwa noch aus Furcht vor 
den Mauren im Walde versteckt wären, sich um ihn sammelten, 
oder wenn etwa einige von denen, die das Gebirge bereits 
überschritten hätten, den Ton vernähmen, daß diese zu ihm 
kommen, bei seinem nahen Ende gegenwärtig sein und dann 
sein Roß und sein Schwert Durendart empfangen möchten. 
Er stieß aber mit solcher Kraft in das Horn, daß es zersprang 
und die Adern an seinem Halse zerrissen und daß Kaiser 
Karl, der schon acht Meilen von da entfernt war, den ge¬ 
waltigen Schall vernahm. Da wollte Karl sogleich umkehren
	        
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