Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

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übergehenden mit lockenden Worten zum Stillstehen und Prüfen bewegend. 
Für so manche bedarf es jedoch gar nicht erst der Leimrute. Sie stehen 
mit weit aufgerissenen Augen vor den Buden, um so begehrlicher drein¬ 
schauend, je dürftiger der Inhalt der Börse sich zeigt. Aus dem Flach¬ 
lande sind sie heraufgekommen und aus den Walddörfern herniedergestiegen. 
Den baumwollenen Schirm unter den einen Arm geklemmt, einen farbigen 
Deckelkorb in der Hand, so ziehen sie in Reihen und Gruppen die Buden- 
gassen auf und ab. Ältere Frauen haben noch das Kopftuch kunstvoll um 
die Stirn geschlungen. An der Art, wie sie es geknüpft, weiß der Kenner 
die einzelnen Ortschaften zu bestimmen. Die alten Männer erscheinen noch 
in kurzen Hosen mit hellbraunen, bis zu den Knieen reichenden Gamaschen. 
Die größere Hälfte des Marktplatzes nehmen die Schnittwarenhändler, 
Böttcher, Schuster, Seiler, Korbmacher, sowie die Händler und Hausierer 
mit hunderterlei nützlichen und unnützen Dingen ein. Drüben im Schutze 
der Kirche hingegen haben einige Buden mit Porzellan Aufstellung gefunden. 
Der übrige Raum vor dem stattlichen Rundbau des Gotteshauses ist am 
Boden mit Tausenden buntfarbiger irdener Schüsseln, Krüge, Pfannen, 
Ampeln und Töpfe bedeckt; zum Teil sind es Erzeugnisse hiesiger Töpfer¬ 
kunst, zum Teil auch derjenigen fremder Töpfer, deren planbedeckte Wagen 
dicht an der Mauer der Kirche aufgefahren sind. Jeder dieser Wagen ist 
ein Wigwam, ein fahrendes Heim der armen Leute. Denn wenn die 
Töpferei in Thüringen auch noch immer einen gewissen Nachklang einstiger 
Blüte, gesunden Formen- und Farbensinnes zeigt, arm ist der Stand mit 
wenigen Ausnahmen bis heute geblieben. Das Rößlein ist irgendwo in 
einem Stalle untergebracht. Vor dem Wagen, zu dessen Seite ein Bauer 
mit einem zwitschernden Waldessänger hängt, steht ein kleiner Feuerrost, 
auf dem das kärgliche Mahl der Familie brodelt. Die Frau, in dürftiger, 
bunter Kleidung, kniet davor und rührt zuweilen den Brei. Ein paar 
barfüßige Kinder, ungekämmt und kurzröckig, spielen in der Nähe, während 
der Mann, die Pfeife im Munde, zwischen seinen Töpfen und Schüsseln 
wie ein Musterung hallender Feldherr auf- und niederschreitet. 
Auf und ab wogt es. Jeder neue Bahnzug bringt neue Besucher, 
dazwischen drängen sich die zu Fuß herüber gepilgerten Dorfbewohner. 
Durch das alte, enge Stadtthor quillt es herein und ebbet wieder in 
dunkeln Scharen hinaus. Es ist ein dauerndes Kommen und Gehen, 
Feilschen, Ausrufen, Lachen, Schwatzen und Klappern. Dazwischen tönt 
dann Wagengerassel, Peitschenknall oder das Schlagen der vier Uhren von 
Kirche, Turm, Rathaus und dem Schlosse droben auf dem Burgberg. 
So kommt der Nachmittag heran. Das Marktgeschüft hat seinen 
Höhepunkt für heute erreicht. Nun wird es allmählich stille. Der Strom 
der Besucher verläuft sich langsam in den Gassen und Winkeln. Aber noch 
Lesebuch für höhere Lehranstalten. (Preuß. Ausg.) I. 14
	        
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