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6. Der NMond.
Johann Peter Hebel. Werke. Ausgabe in 3 Bän. Karlsruhe. 1853. Müllersche Hofbuchh.
III. 3. 162.
Der geneigte Leser wird nun recht begierig sein, auch etwas
Neues von dem Monde zu erfahren, der ibhm des Nachts so oft aus
der Stadt nach Hause leuchtet.
Der Mond ist aueh eine grobe Kugel, die im unermeblichen
Weltraum schwebt, nicht anders als die Erde und die Sonne, aher
in seiner körperlichen Masse ist er fünfzigmal kleiner als die Erde
und nicht viel über 50000 Meilen von ihr entfernt.
Der Mond mubß sein Lächt und Gedeiben von der Sonne
empfangen. Eine Hälfte seiner Kugel ist erhellt, die gegen die
Sonne gekehbrt ist, die andere ist sinster. Damit nun nicht immer
die nämliche Hälfte hell und die nämliche finster bleibe, so drebt
sieh der Mond wie die Erde ebenfalls um sieh selber oder um seine
Achse in 29 und einem halben Tag.
Wenn der Mond in seinem vollen Licht am Himmel erscheint,
sieht er bei dem allem seltsam aus mit seinem trüben Gesicht und
mit seinen helleren und blasseren Flecken. Denn bekanntlich ist
die Helle nieht gleiehmäßig über ihn verbreitet, sondern ungleich—
mahig. Damit hat er die Gelehrten lange Zeit gequält und ihnen
weis gemacht, die helleren Teile seien Land, von welehem die
Lichtstrahblen wieder zurucekprallen, und die dunkleren seien Wasser,
welches die Lichtstrablen verschluckt. Allein mit einem leidlichen
FPernrohr, wie es in vorigen Zeiten keine gab, hat ein recht-
schaffener Sternseher Namens Schröter ganz andere Dinge auf dem
Mond entdeckt als Land und Wasser, vämlich auch Land, aber kein
Wasser, sondern weité Ebenen, hohe Berge und tiefe Abgründe von
wunderbarer Gestalt und Verbindung. Hat er nieht ihren Schatten
sogar beobachtet, und wie er sich von Abend gegen NMorgen bewegt,
verkürzt und verlängert? Hat er nieht zuletzt sogar aus dem
Schatten der Berge ihre Höhe ausgerechnet? Die höchsten Berge
auf dem Mond sind böher als die höchsten auf der Erde. Darum
haben wir alle Hochachtung vor dem Sternseher und vor der gött-
lichen Allmacht, die einem sehwachen Menschenkind den Verstand
und die Geschicklichkeit geben kann, auf 50000 Meilen weit Berge
auszumessen, die unsereiner gar nicht sieht.