Full text: [Teil 5 = Mittelstufe, Dritte Abteilung (Sechstes Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 5 = Mittelstufe, Dritte Abteilung (Sechstes Schuljahr), [Schülerband])

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100. Sanssouei. 
Leopold von Ranke. Neun Bücher preubischer Geschichte. Berlin. 1847 -48. Veiteu. Co. UI. 8. 450. 
In Potsdam richtete sich Friedrich nicht allein prächtiger ein als seine 
Vorfahren — das Schloß in der Stadt ward nach Knobeldorfs Zeichnun— 
gen vollkommen umgestaltet — sondern besonders wohnlicher, gemütlicher. 
Bis in die entferntesten Regionen der Welt ist der Ruf der bescheidenen 
Wohnung gedrungen, die sich Friedrich nahe der Stadt auf einem Wein— 
berg zu ländlicher Zurückgezogenheit erbaute. Die Mittel zu dem Bau ge— 
währten ihm die noch zu keinem andern Zweck angewiesenen Erträge von 
Ostfriesland, die er sich vorbehielt. Zu dem Garten, den er umher an— 
legte, steuerten die verschiedenen Provinzen bei, was sie an Gewächsen Vor— 
zügliches besaßen; — Küstrin und Magdeburg schickten schwarze Erde, aus 
Schlesien kam Marmor zu den Bassins. Friedrich suchte seinen Wohnsitz 
mit Kunstwerken auszuschmücken; einiges sendete Frankreich, anderes schuf 
das einheimische Talent, beides nach dem einseitigen Geschmack der Zeit; 
doch hatte er das Glück, auch einige der bewunderungswürdigen Werke 
echter Kunst zu erhalten. Jener Anbeter, der aus den lysippischen Zeiten 
stammen mag, erhob nun seine Hände hier in Sanssouci. Die schönsten 
Werke Correggios fanden ihren Weg dahin. In dieser Umgebung geistiger 
Ruhe und einfacher Genüsse nahm Friedrich die Studien von Rheinsberg 
wieder auf und suchte Genossen derselben um sich zu sammeln. 
Was hätte er darum gegeben, die alten Freunde um sich zu sehen, 
die seinen ganzen Bildungsgang mit ihm geteilt hatten: Keyserlingk und 
Jordan; aber sie waren beide kurz nach einander gestorben. 
Die größte Aufmerksamkeit unter allen, die jetzt seinen Kreis bildeten, 
erregte Voltaire, als er sich endlich bewegen ließ, die vorteilhafte Stellung 
anzunehmen, die ihm Friedrich für immer in Berlin anbot. Die Ein— 
ladung traf gerade in eine Zeit, wo Voltaires Empfindlichkeit durch kleine 
Zurücksetzungen in der Pariser Gesellschaft gereizt war. Friedrich, der von 
Jugend auf, geschäftliche Unterbrechungen ausgenommen, den ganzen Tag 
über französisch sprach, so daß man sich lange an seinem Hofe aufhalten 
konnte, ohne ein deutsches Wort zu hören, hatte einen unüberwindlichen 
Trieb, allgemeine Gedanken und Gefühle in französischen Versen auszu— 
drücken. Da er nun einmal so viel französisch schrieb, wünschte er wenig— 
stens, es so vollkommen zu thun als möglich; denn es war ihm widerlich, 
in irgend einer Sache, die er vornahm, nicht zur Meisterschaft zu gelangen. 
Er entschloß sich, der Schüler des Mannes zu werden, der die französische 
Sprache mit Virtuosität, und zwar einer solchen, die auf Studium und 
Einsicht beruhte, zu behandeln wußte. Voltaire war, wie er einmal selbst 
sagt, recht eigentlich der Grammatiker Friedrichs. Er hatte die Gedichte
	        
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