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Drei Monden waren schon vergangen,
Da stellten sie sich wieder ein.
Drauf sprach der älteste der Brüder:
„Hört, es vertraut ein fremder Mann
Sein Gut ohn' ein'gen Schein mir an,
Dem gab ich es getreulich wieder.
Sagt, war die That nicht lobenswert?“
„Du thatest, Sohn, wie sich's gehört,“
Ließ sich der Vater hier vernehmen,
„Wer anders thut, der muß sich schämen;
Denn ehrlich sein heißt uns die Pflicht.
Die That ist gut, doch edel nicht.“
Der andre sprach: „Auf meiner Reise
Fiel einst ganz unachtsamer Weise
Ein armes Kind in einen See,
Ich aber zog es in die Höh
Und rettete dem Kind das Leben;
Ein Dorf kann davon Zeugnis geben.“
„Du thatest,“ sprach der Greis, „mein Kind,
Was wir als Menschen schuldig sind.“
Der jüngste sprach: „Bei seinen Schafen
War einst mein Feind fest eingeschlafen
An eines tiefen Abgrunds Rand,
Sein Leben stand in meiner Hand.
Ich weckt ihn und zog ihn zurücke.“
„O,“ rief der Greis mit holdem Blicke,
„Der Ring ist dein; welch edler Mut,
Wenn man dem Feinde gutes thut!“
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104. Das Hafermus.
Ubertragung ins Hochdeutsehe.
Also, das Hafermus wär fertig, kommt, Kinder, und esset!
Betet: Aller Augen — und gebt mir ordentlich Achtung,
Daß nicht eins am rußigen Topf den Ärmel sich schwarz macht.
Esset denn und gesegn' es Euch Gott, und wachst und gedeihet!
Sehet, die Haferkörnchen, die hat der Vater gesäet
Zwischen die Furchen mit fleißiger Hand und geegget im Frühjahr. —
Äber daß sie gewachsen und zeitig geworden, dafür kann
Euer Vater hier nicht, das thut der Vater im Himmel.
Dix und Kersten, Lesebuch. Ausg. A. Teil V.
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