Full text: (Für die sechste Klasse) (Abteilung A, [Schülerband])

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188 Märchen, Erzählungen, Sagen, Fabeln und Parabeln. 
Trini auf einmal inne und wurde ganz still und nachdenklich. Nach 
einer Weile stand es langsam auf; es sah gar nicht mehr aufgebracht 
aus und sagte halblaut: „Was die Bäuerin meint, habe ich freilich 
nicht getan, aber unrecht tat ich doch." Beim Nachdenken war ihm 
auf einmal vor die Augen gekommen, wie es heute wieder mehrmals 
das arme und dazu kränkliche Maneli auf die Seite gestoßen und sich 
schnell über die Beeren hergemacht hatte, die das Maneli auch gern 
eingesammelt hätte. Es war aber immer still auf die Seite gewichen, 
das Trini war ja viel stärker und flinker. So leistete ihm das Maneli 
niemals Widerstand. Nun wollte das Trini sein Anrecht gut zu machen 
suchen und dem Maneli schnell noch ein wenig von seinen Beeren ab¬ 
treten. Es lief immer eiliger, aber nicht bergan, der Wohnung der 
Großmutter zu, sondern querfeldein, eine ganze Strecke weit. Bei einem 
elenden, kleinen täuschen, an dem die alten Fensterscheiben halb oder 
ganz zerbrochen und mit Papier verklebt waren, stand es still und holte 
ein wenig Atem. Es war jetzt dunkel geworden. Durch die halben 
Scheiben schimmerte ein dünnes Lichtlein. Auf einmal hörte das Trini 
ein leises Schluchzen ganz in seiner Nähe. Es schaute sich um. Auf 
einem Lolzblock vor dem Läuschen saß ganz unbeweglich eine kleine 
Gestalt, den Kops auf die Arme gelegt. Trini trat hinzu. 
„Was hast du, Maneli?" fragte es erstaunt, als es die kleine 
Gestalt erkannt hatte. „Warum weinst du so?" 
Das Maneli hob den Kops auf und sah so traurig aus, wie Trini 
es noch gar nie gesehen hatte. 
„Ich darf nicht hinein," sagte es schluchzend, „die Mutter ist krank, 
und schon zu Mittag hatten wir fast nichts mehr zu essen. Sie sagte, 
für den Abend brächte ich, will's Gott, etwas heim, wenn ich in die 
Beeren ginge und sie dann gleich ins Wirtshaus trüge; für ein Schwarz¬ 
brot würde der Erlös schon reichen, meinte die Mutter. Aber sieh, 
Trini, nur die hab' ich!" Damit hob das Maneli seinen Korb in die 
Löhe, und Trini guckte hinein; es war fast gar nichts darin, kaum der 
Boden des Korbes war bedeckt. Das Trini fühlte seinen schweren 
Korb am Arm; es war ihm, als werde er immer schwerer und drücke 
nicht nur am Arm, sondern auch auf dem Lerzen. Auf einmal riß 
es Stäbchen und Blätter weg, kehrte seinen Korb um und schüttete 
den ganzen reichen Inhalt in Manelis leeres Gefäß, so daß dieses bis 
oben hin voll war und daß von den Beeren noch übrigblieb. Diese 
legte das Trini schnell auf die Blätter am Boden und sagte: „Nimm 
die auch noch hinein! Gute Nacht!" And fort rannte es in hohen 
Sprüngen.
	        
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