248 Erste Abteilung. Zweiter Abschnitt. Geschichte des Mittelalters.
Hals mit Stroh umlegt Mar, bot ihm der Pfalzgraf noch einmal
Rettung cm, wenn er widerrufen wollte, er aber rief: „Ich rufe Gott
zum Zeugen an, daß ich durch all mein Lehren und Predigen das Volk
von der Sünde abwenden wollte und in Gottes Reich führen. Diese
Wahrheit, die mit Gottes Wort übereinstimmt, will ich mit meinem
Tode versiegeln!" Der Pfalzgraf schlug die Hände über dem Kopfe
zusammen, der Henker zündete den Holzstoß an; noch aus den Flammen
heraus hörte man Hus zweimal beten: „Christe, erbarme dich mein!" bis
die Lohe ihm die Stimme benahm; doch bemerkte man durch die Flamme
hindurch, „wie sich seine Lippen noch bewegten, bis er verschied." Seine
1415. Asche wurde in den Rhein gestreut. „So starb Johannes Hus, schon
damals von vielen selbst auf dem Konzil als ein Zeuge jenes Lichtes
erkannt, welches, unter der Asche fortglühend, hundert Jahre später zur
Flamme angewachsen, die ganze Kirche durchglühen und läutern sollte."
Und bezeichnend ist die Volkssage, nach welcher Hus, der trotz mensch-
Itcher Irrtümer „ein Märtyrer evangelischer Wahrheit" gewesen ist, weis-
sagend vor seinem Tode verkündigt haben soll: „Heut verbrennt ihr eine
Gans (das bedeutet Hus auf böhmisch), aber in hundert Jahren kommt
ein Schwan, den werdet ihr ungebraten lan." Gleiches Schicksal erlitt
Hieronymus von Prag: er widerrief anfangs, ermannte sich jedoch wieder,
zitierte seine Richter vor den höchsten Richter und starb „mit der Kühnheit
eines Stoikers."
Die Hussitenkriege. Das Konzil zu Basel.
(1419—1434.)
§ 109. Der Hussitenkrieg ist einer der furchtbarsten Volks-
kriege in der Geschichte, entsprungen aus einer gärenden Mischung
religiöser, nationaler, sozialer und politischer Motive; das Signal zu
dem Ausbruche desselben war die Verbrennung der beiden böhmischen
Reformatoren. Mehrere hundert böhmische Herren erließen ein drohen-
des Schreiben an das Konzil wegen seiner ungerechten Verdammung
des Johann Hus, erhielten aber eine wegwerfende und drohende Antwort
und beschlossen, trotz Bann und Interdikt, die hussitische Lehre auf ihren
Gütern frei predigen zu lassen. Der Anhang der slawisch-hussitischen
Partei mehrte sich, und es wurde die Forderung der Austeilung des
heiligen Abendmahles unter beiderlei Gestalt (snb ntraqne forma)
der Hauptausdruck ihrer gegen kirchlichen Gesinnung. Es war in Böhmen
noch nicht lange her, daß diese ursprüngliche und richtige Form der Abend-
mahlserteilung der kirchlichen Neuerung hatte weichen müssen, nach welcher
den Laien im Abendmahle nur das Brot gereicht wurde, der Kelch aber
als priesterliche Auszeichnung dem Klerus vorbehalten blieb. Jetzt wurden
von den Utraquisten die Priester mißhandelt und vertrieben, welche sich
weigerten, den Kelch wider die kirchliche Anordnung den Laien zu reichend¬
es kam zu blutigen Verfolgungen besonders der Bettelmönche und
zur Plünderung von Klöstern. Die hussitische Partei zerfiel bald in eine
gemäßigtere, später Kalixtiner (Kelchgesinnte) genannt, und in eine