Full text: Lesebuch für die ländlichen Fortbildungsschulen der Provinz Ostpreußen

11 
Geburtsurkunden der Brautleute, des Bräutigams sowie seines Schwieger— 
vaters Einwohnermeldescheine. 
„So etwas müßte man eigentlich in der Schule lernen“, brummte 
ärgerlich der junge Mann. 
Die arme Frau Schulze kam nun an die Reihe. Eine Nachbarin hatte 
ihr gesagt, daß ein Todesfall am nächstfolgenden Wochentage auf dem Standes— 
amte zum Eintragen ins Sterberegister angezeigt werden müsse. Die Nachbarin 
hatte das alles erfahren, als ihr einziger Sohn, der schon 10 Jahre in Amerika 
verschollen war, erst öffentlich für tot erklärt werden konnte am Schlusse 
des Jahres, in dem er 31 Jahre alt geworden wäre, während Frau Meyer 
für ihren, der in Südwestafrika den Feldzug mitgemacht hatte, schon nach 
drei Jahren den Totenschein erhalten hatte. 
Altmann war längst auf dem Heimwege. „Das muß man sagen,“ 
murmelte er, „Ordnung ist in unserem deutschen Vaterlande. Wie viel 
Unklarheit, Sorge, Zank und Streit um Person und Gut wird durch diese 
gewissenhafte Beurkundung des Personenstandes verhindert! Wie genau 
kann die Bewegung der Bevölkerung festgestellt werden!“ 
Auf dem eiligen Heimwege vom Standesamte faßte Altmann ernste 
Entschlüsse: „Ich habe einen Sohn, für den will ich sorgen und schaffen, 
der soll es besser haben als ich in meiner harten, entbehrungsreichen Jugend. 
Der Junge soll vor allem mehr lernen, als ich lernen konnte. Außerdem 
aber soll er ein tüchtiger, deutscher Mann und brauchbarer Bürger werden.“ 
Mit doppeltem Eifer nahm er daheim seine Arbeiten wieder ausf. Der 
kleine Junge da oben machte aus dem strebsamen Kaufmanne noch etwas 
ganz anderes: einen nützlichen Bürger, der an der Entwicklung der Gemeinde 
und des Staates von nun an äußerst lebhaften Anteil nahm. Er fehlte mit 
seinem Stimmzettel bei keiner Wahl der Stadtverordneten, Kirchenvorstände, 
Handelskammermitglieder, Land- und Reichstagsabgeordneten. Alle diese 
Einrichtungen erschienen ihm, je mehr er sie kennen lernte, als das Ergebnis 
jahrhundertelanger Erfahrung, dazu bestimmt, dem Wohle aller Volksklassen 
zu dienen, das Recht, die Freiheit und das Eigentum des einzelnen zu schützen. 
Diesem Staate wollte er an seinem bescheidenen Teile dienen. 
Der kleine Erdenbürger ward an einem Sonntag im Oktober getauft 
und gedieh prächtig. Mit zwei Jahren wurde er der Gespiele einer leinen 
Schwester. Später kam noch ein Brüderchen dazu. 
Beurkundung des Personenstandes. 
Nach dem Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes 
von 1875 müssen Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle auf dem Stan⸗ 
desamte angemeldet werden. Der Standesbeamte führt das Geburts-, 
Heirats⸗ und Sterberegister. Die Standesregister sind wie das Handels— 
register öffentlich. Jedermann kann sich aus ihnen Geburts-, Heirats⸗ und 
Sterbeurkunden gegen eine Gebühr ausstellen lassen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.