Full text: Ein Lesebuch für die 6. und 5. Klasse höherer Mädchenschulen (Teil 2, [Schülerband])

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fetcr, kommt schon der Storch in seine alte Heimat zurück, und ungefähr 
am 20. März trifft der rote Faden wieder bei den: Kruzifix ein. Dies 
hat noch nie gefehlt. 
Hieraus ist zu gleicher Zeit zu erkennen, daß nie auf der ganzen 
Erde die nämliche Jahreszeit herrscht. Denn zu gleicher Zeit und in 
gleichem Maße, wie sich die Sonne von unserm Scheitelpunkt entfernt 
oder wir von der Sonne, kommt sie höher iiber diejenigen zu stehen, 
welche jenseit des Kruzifixes gegen den andern Pol hinaus wohnen, 
und umgekehrt ebenso. 
Wenn hier die letzten Blumen verwelken und das Laub von den 
Bäumen fällt, sängt dort alles an zu grünen und zu blühen. Wenn 
wir in unserm Winter die längste Nacht verschlafen, schimmert dort der 
längste Sommertag, und der Hausfreund kann sich nicht genug iiber die 
göttliche Weisheit verwundern, die mit einer Sonne auf der ganzen 
Erde ausreicht und in die winterlichsten Landschaften noch einen lustigen 
Frühling und eine fröhliche Ernte bringen kann. 
So viel für diesmal von der Erde. Gleichwohl wenn ein Mensch 
von derselben sich aufheben und in gerader Linie langsam oder ge¬ 
schwind zum Abendstern aufsteigen könnte, der unter allen Sternen der 
nächste ist, so würde er noch merkwürdigere Dinge sehen. Der Stern 
würde vor seinen Augen immer größer werden, zuerst wie der Mond, 
bald darauf wie ein großes Rad, zuletzt wie eiue unübersehbare Kugel 
oder Fläche. Sein Licht wiirde ihm immer milder erscheinen, weil es 
sich immer über eine größere Fläche verbreitete, ja, er würde in einer 
gewissen Entfernung davon schon Berge und Täler entdecken und allerlei 
und zuletzt auf einer neuen Erde landen. Aber in deni nämlichen Ver¬ 
hältnis müßte unter ihm die Erde immer kleiner werden und glänzender 
ihr Licht, weil es sich auf einen kleineren Raum zusammendrängt. In 
einer gewissen Entfernung hätte sie für ihn noch den Umfang wie ein 
großes Rad, hernach wie eine Schützenscheibe, hernach wie der Mond 
und endlich, wenn er gelandet wäre, würde er sie weit draußen am 
Himmel als einen lieblichen Stern unter den andern erblicken und mit 
ihnen auf- und untergehen sehen. „Sieh dort", würde er zu seinem 
ersten Bekannten sagen, mit dem er bekannt wird, „sieh jenen lieblichen 
Stern, dort bin ich daheim, und mein Vater und meine Mutter leben 
auch noch dort. Die Mutter ist eine geborene so und so." Es müßte ein 
wundersames Vergniigen sein, die Erde unter den Sternen des Him¬ 
mels und ganz als ihresgleichen wandeln zu sehen. Hebel. 
63. Das Pferd. 
Munter hüpft das Füllen auf grünem Rasen, sträubt die kurze, 
krause Mähne, schwingt sich leicht wie ein Hirsch über die Hecke,
	        
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