Full text: Ein Lesebuch für die 6. und 5. Klasse höherer Mädchenschulen (Teil 2, [Schülerband])

46 [II] 
Eylert. gromme!. 
Heim, sei kein dummer Junge, und höre auf zu plinseln, sonst 
komme ich dir noch ganz anders. Ich habe die Schlüssel zu 
allen Geldkasten und kann dir den Verlust hinlänglich ersetzen. 
Darum sei wieder guten Muts, und gib mir deine Hand darauf, 
daß du wieder fröhlich deinem Berufe leben willst. — Das habe 
ich versprochen- Weib und Kinder sind auch wieder heiter, ich 
habe es wieder vergessen, es ist unter den Füßen, und bin nun 
wieder vergnügt in meinem Gott. Das thut und vermag ein 
Gebet, wenn es ernstlich ist- und nun lassen Sie uns von etwas 
anderem sprechen!" 
III. Das Gewissen. 
Der ehrliche, fromme, gemütliche Heim hatte nicht Zeit, 
krank zu werden, und wurde, immer thätig, sehr alt. Sein 
Jubiläum feierte ganz Berlin, von den allerhöchsten und höchsten 
Ständen an bis herab zu den Straßenjungen und währte drei 
Tage. Unaufhörlich in Anregung, war er endlich erschöpft und 
befahl, daß alles im Hause stille sein sollte. Am Abend spät 
kam eine unbemittelte Bürgersfrau, die ihn zu ihrem sehr kranken 
Kinde rufen wollte. Abgewiesen, drang, bekannt mit der Lokalität, 
sie in das Schlafzimmer von Heim, der die weinende und lärmende 
Frau unhöflich abwies. — Alles ist wieder still geworden, und 
die Geheimerätin sagt: „Lieber Heim, wie ist es mit dir? Du 
wirfst dich ja im Bette hin und her!" — „Ich kann," ant¬ 
wortet er, „nicht schlafen- es ist doch ein eigen Ding mit dem 
Gewissen: ich muß hin." Er klingelt und vergißt alle Müdig¬ 
keit, eilend zum Kranken, den er glücklich wiederherstellt. 
Emil Frommel. 
30. Kaiser Wilhelm in Gastein. 
Unter den Kränzen, die des Heldenkaisers Sarg deckten, 
neben den silbernen und goldenen Blättern der Lorbeerkronen, 
lag auch still, im Schmuck der Alpenflora, ein herrlicher Kranz 
mit der Schleife: „Gastein". Sie gehörten beide zusammen:
	        
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