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Dcr Kaiser ist's Theresias Anvcrmähkter,
Es ist der gute Kaiser Franz,
Sein Joseph ist's im frische» Jugenbqkanz;
Als Deutschlands König, als vom Reich Gewählter,
Die Wange röther und das Aug' beseelter,
Zieht er dahin zu Frankfurts Mauernkranz.
Dort will der Vater ihn zum Dom geleiten,
Zum alten Römer, z» dem Roßmarkt auch,
Zu Pomp und Fest und laug bewährtem Brauch
Schon sieht er sich die Zeit hinunterreiten,
Hört Vivatruf und lautes Glockenläuten,
Und Festmufik im frischen Morgenhauch.
Da hält der Zug. Vom hohen Kutschenschlage
Steigt Kaiser Franz, es folgt ihm rasch der Sohn,
Und zitternd spricht mit würdevollem Ton »
Ludwig der VIU.; „An so schönem Tage,
Dran selbst verstummt des Alters strenge Klage,
Darf ich nicht fehle» an des Kaisers Thron."
„„Kommt mit nach Frankfurt! denkt der schönen Zeiten
Als Ihr im Heidelberger Thal
Mir zugebracht die Kunde meiner Wahl!"" —
„O gnäd'ger Kaiser, dieses liegt im Weiten,
Gern möcht' ich Euch und Euren Sohn begleite»,
Doch »lüd und schwach wank' ich im Römersaal."
Der Landgraf spricht's »iid eiiie junge Fichte
Dient ihm als Stütze, und zum holden Blick
Kommt einmal noch die Jugendzeit zurück,
Als wenn sie sich von sel'geu Welten stüchte;
Auch um des Kaisers würdig-ernst Gesichte
Spielt Heiterkeit und frisch gekeimtes Glück.
Und ihrer hohen Herrin denken Beide,
Der Kaiserin Theresia:
Stets war mit Huld sie Landgraf Ludwig nah';
Er zog für sie zum blutgetränkten Streite,
Im Fttrsteiipomp und iu des Jägers Kleide
Freut er des Blicks sich, welcher aus ihn sah.
Als nun dcr Worte Wiederspiel geendet,
Da nimmt der Kaiser freudig Ludwigs Hand,
Und drückt sie fest und hält sie unverwandt:
„Ihr sein der beste Freund, der mir gesendet!"
Der Kaiser spricht's. Zum Wagen hingcwondet
Zst Zeder schnell und eilt durch Flur und Land.
Indeß in hohen, relchgeschmückten Tage»
Vater und Sohn zu Frankfurt sich ergeh'»,
Juwelenlichter um die Scheitel wehn,
Läßt Landgraf Liidwig eine Münze schlagen,
Auf ferne Zeit die Kunde noch zu trage»
Von Heusenstamm und seinem Wiedersehn.
K. B u ch n c r.
91 n m e v f u u g. Ludwig der Achte war vor allen Fürsten seiner Zeit ein Freund und Anhänger des kaiserlichen Hauses.
Die von ihm zärtlich verehrte Maria Theresia machte ihn im Jahr 1741 zum General - Feldmarschall und ihr
Gemal. welchem Ludwig das Dekret der Kurfürsten, das Franzen zuin Kaiser erwählte, nach Heidelberg übcr^
brachte, schenkte ihm bei seiner Krönung einen kostbaren BManIring, worin das Bildniß Maria Thercsia'S und
einen ans 7006 fl. geschätzten Degen. Als ipäterhin Kaiser Franz seinen Sohn Josef nach Frankfurt begleitete,
wo er zum Kaiser gewählt und gekrönt wurde, trafen beide hohe Personen mit dem damals schon 74jährigen
Landgrafen Ludwig auf eiirem Waldflecken bei-Heusenstamm. zwischen Seligenstadt und Frankfurt zusammen.
Es war der 29. März 1764. Der altersschwache Landgraf hielt sich an eine Fichte, um das Gespräch länger
fortsetzen zu können. (Göthe's Werke, Oktav.-- Ausgabe, 17 Bd., S. 310.) Nach Andern mußte er sich von
Zweien seines Gefolges halten lassen (Dieffcubach, Versuch einer Geschichte der Residenz Darmstadt. S. 74.)
Vielleicht geschah Beides. Kaiser Franz soll bei dieser Gelegenheit ausgerufen haben, Landgraf Ludwig sei sein
bester Freund. Der Landgraf ließ in der Folge zur Erinnerung an jenen Tag eine Denkmünze schlagen. Das
Jagdschloß Kranichstein, unweit Darmstadt, 'war viele Jahre hindurch der Aufenthaltsort des Landgrafen Lud¬
wig des Achten.