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das altmodische Aussehen der alten Handelsstädte. Nur wenige
seiner Straßen sind enge und krumm, manche bestehen aus lauter
großartigen Häusern, eine ist sogar über eine Viertelstunde lang,
schnurgerade und dabei von ansehnlicher Breite. Eine andere, nicht
viel kürzere ist mit einer Lindenallee besetzt und bietet also herr¬
liche Gelegenheit zum Spazierengehen innerhalb der Stadt.
Berlin ist überaus reich an schönen Gebäuden aller Art und
eine der schönsten Städte Europa's. Der königliche Palast ist zwar
zum Theil alt, zum Theil neu, aber dennoch sehenswerth. Er ist
ein längliches Viereck mit fünf durch Säulen verzierten Haupt¬
eingängen, 144,37 Meter lang, 86,62 Meter breit und 31,69
Meter hoch. Kein anderes Fürstenschloß ist ihm ^vergleichen.
Der weiße Saal, einer von den 600 Zimmern des Schlosses, ist
32,87 Meter lang, 16 Meter breit und 12,86 Meter hoch und
enthält die Marmorstandbilder der 12 hohenzollernschen Kurfürsten
und andere Statuen und Gemälde. Hohe Feste im königlichen
Hause werden hier gehalten, die Reichs- und Landtage eröffnet
und geschlossen. An die Stelle des abgebrannten Opernhauses ist
ein neues, schöneres gebaut worden. Selbst einige Thore sind
mit großer Kunst und bedeutenden Kosten erbaut worden. Was
aber der Stadt vorzüglich zur Zierde gereicht, sind die Stand¬
bilder der großen Helden des preußischen Staates. Aus den öffent¬
lichen Plätzen stehen diese marmornen Bildsäulen und rufen den
Vorübergehenden das Andenken an die Männer zurück, welche im
siebenjährigen und in dem französischen Befreiungskriege Preußen
vom Untergange retteten, und das über 60 Meter hohe Sieges¬
denkmal auf dem Königsplatze erinnert in Wort und Bild an die
glorreichen Kriegsjahre von 1864, 1866, 1870 und 1871. In
dem Zeughause befinden sich zugleich die in den Kriegen erbeuteten
merkwürdigen Fahnen, Kanonen und sonstigen Waffen. Kranke,
Gebrechliche und Arme werden in zahlreichen Heilanstalten und
milden Stiftungen gepflegt und versorgt, und in andern Anstalten
Waisen, Blinde und Taubstumme erzogen und unterrichtet.
Doch gedeihen in Berlin die Künste des Friedens noch besser.
Von Fabriken wollen wir nur an die vortreffliche königliche Eisen¬
gießerei erinnern, worin nicht bloß Brücken mit Bogen, und Ge¬
ländern, sowie Maschinen und Maschinenteile der verschiedensten
Art, sondern auch herrliche Bildsäulen und Brustbilder aus Gu߬
eisen verfertigt werden. Ja die Kunst geht noch weiter und liefert
die feinsten Schmucksachen aus Eisen, Finger- und Ohrringe, Arm¬
bänder und Vorstecknadeln, Ketten, was man sonst nur aus Gold
zu arbeiten pflegte. Im Durchschnitt liefert die Fabrik jährlich
30,000 Zentner solcher Gußwaaren, wovon die leichtesten 1(i0 Loth,
die schwersten 40 Zentner wiegen. Die Borsig'sche Maschinenbau¬
anstalt, die größte in ganz Deutschland, beschäftigt über 3800 Arbeiter