Full text: [Teil 4, [Schülerband]] (Teil 4, [Schülerband])

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in seinem unglücklich gewordenen Vaterlande die Ruhe und Ord¬ 
nung wieder her und wird französischer Kaiser, und noch hatte 
die gute Obstfrau in Brienne nichts als sein Wort: „Ihr sollt 
nicht vergessen sein!" Aber ein Wort noch immer so gut als 
bares Geld, und besser. Denn als der Kaiser in Brienne einmal 
erwartet wurde, — er war aber in der Stille schon dort, und 
mag wohl sehr gerührt gewesen sein, wenn er da an die vorige 
Zeit gedachte und an die jetzige, und wie ihn Gott in so kurzer 
Zeit und durch so viele Gefahren unversehrt bis auf den neuen 
Kaiserthron geführt hatte, — da blieb er auf der Gasse plötzlich 
stille stehen, legte den Finger an die Stirne, wie einer, der sich 
auf etwas besinnt, nannte bald darauf den Namen der Obstfrau, 
erkundigte sich nach ihrer Wohnung, die so ziemlich baufällig war, 
und trat mit einem einzigen treuen Begleiter zu ihr hinein. Eine 
enge Thür führte in ein kleines, aber reilckiches Zimmer, wo die 
Frau mit zwei Kindern am Kamin kniete und ein sparsames 
Abendessen bereitete. 
„Kann ich hier etwas zur Erfrischung haben?" fragte der 
Kaiser. — „Ei ja!" erwiderte die Frau, „die Melonen sind reif," 
und holte eine. Während die zwei fremden Herren die Melone 
verzehrten, und die Frau noch ein paar Reiser an das Feuer 
legte: „Kennt Ihr den Kaiser auch, der heute hier sein soll?" 
fragte der eine. „Er ist noch nicht da," antwortete die Frau, „er 
kommt erst. Warum soll ich ihn nicht kennen? Manchen Teller 
und manches Körbchen voll Obst hat er mir abgekauft, als er noch 
hier in der Schule war." — „Hat er denn auch alles ordentlich 
bezahlt?" — „Ja freilich, er hat alles ordentlich bezahlt." Da 
sagte zu ihr der fremde Herr: „Frau, Ihr geht nicht mit der 
Wahrheit um, oder Ihr müßt ein schlechtes Gedächtnis haben. 
Fürs erste, so kennt Ihr den Kaiser nicht; denn ich bin's. Fürs 
andere hab' ich Euch nicht so ordentlich bezahlt, als Ihr sagt, son¬ 
dern ich bin Euch zwei Thaler schuldig oder etwas;" und in 
diesem Augenblicke zählte der Begleiter aus den Tisch eintausend- 
undzweihundert Franken, Kapital und Zins. Die Frau, als 
sie den Kaiser erkannte und die Goldstücke auf dem Tische klingen 
hörte, fiel ihm zu Füßen, und war vor Freude und Schrecken und 
Dankbarkeit ganz außer sich, und die Kinder schallen auch einander 
an und wissen nicht, was sie sagen sollen. Der Kaiser aber befahl 
nachher, das Haus niederzureißen, und der Frau ein anderes an 
den nämlichen Platz zu bauen. „In diesem Hause," sagt er, 
„will ich wohnen, so oft ich nach Brienne komme, und es soll 
meinen Namen führen." Der Frau aber versprach er, er wolle 
für ihre Kinder sorgen. 
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