43
vierundzwanzigtausend Scheffel. Der himmlische Vater hat in
seiner Weisheit und Gnade denselben zum Glück einen sehr
raschen Flug und die Neigung verliehen, nur über unbewohnte
Teile der Erde sich zu verbreiten; sonst müßten sie selbst ent¬
weder umkommen, oder sie würden alle Erzeugnisse der Wälder
und Felder allein verzehren. Oldenb. Volksbote.
31. Der Rabe zu Merseburg.
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts lebte zu Merseburg an
der Saale ein Bischof, Namens Thilo von Trotha. Der
war ein gar jähzorniger Herr, zumal wenn ihm irgend eine
Widerwärtigkeit seine gute Laune verdarb. Dies geschah aber einst¬
mals auf der Jagd, als er den ganzen Tag auf seinem Rosse
durch Sumpf und Moor gesprengt war, ohne auch nur ein ein¬
ziges Wild erlegt zu haben. Verdrießlich zog er heim nach seinem
Schlosse, warf die Jagdkleider ab und begab sich in sein Ge¬
mach, wo der alte Kämmerer Johannes, ein silberhaariger
Greis, seiner wartete.
Nun besaß der Bischof einer: goldenen Siegelring, der ihm
als Geschenk eines Freundes besonders wert und teuer war,
und den er in einem Kästchen aufzubewahren pflegte. In der
Eile hatte er dasselbe am frühen Morgen mit dem Kleinode un¬
verschlossen am offenen Fenster stehen lassen, und als er jetzt da¬
nach griff, vermißte er den Ring. Da überzog Zornesröte sein
Gesicht; Johannes aber erbleichte und vermochte kaum auf die
heftige Frage seines Herrn nach dem Ringe eine entschuldigende
Antwort zu stammeln. Das schien dem Bischof verdächtig, und
in seinem Jähzorn vergaß er der langjährigen Treue seines alten
Dieners und beschuldigte ihn des Diebstahls. Ja, als Johannes,
im Bewußtsein seiner Unschuld, mit kühnem Worte widersprach,
ließ ihn der zornige Herr in den Turm werfen.
Nichtsdestoweniger beteuerte der Greis fort und fort seine
Unschuld; erst unter den Qualen der Folter gestand er ein, wo¬
von er nichts wußte, und das strenge Gesetz der damaligen Zeit
verurteilte ihn zum Tode. Als er aber auf dem Schafotte stand,
da erhob er seine Hände gen Himmel und erklärte vor dem ver¬
sammelten Volke, daß er unschuldig gerichtet werde. Der strenge
Spruch aber ward vollzogen.
Jahre vergingen, und das Grab des treuen Dieners über¬
wucherte dichter Rasen. Da geschah es, daß in einer Gewitter¬
nacht der Sturm die Dachbekleidung eines der sieben Schloßtürme
herunterfegte, und als des andern Tages der Dachdecker denselben
4*